rautwerbung
In Thomas Morus' Utopia besagt sein Gesetz,
daß die jungen Leute sich vor ihrer Verheiratung splitternackt
sehen sollen. Sir William Roper von Eltham in Kent kam eines
Morgens, ganz in der Frühe, zu Mylord mit dem Ansinnen, eine
seiner Töchter zur Frau zu nehmen. Zu der Zeit lagen Mylords
Töchter gemeinsam zu Bett, und schliefen in einem Rollbett in
ihres Vaters Kammer. Dieser führt Sir William in die Kammer,
und greift das Bettuch an einem Zipfel und zieht es mit einem
Ruck weg. Jene lagen auf dem Rücken, und ihre Hemden waren bis
an die Achseln hochgerutscht. Sie erwachten
darob, und drehten sich flugs auf den Bauch. Sagte Roper, Itzt
hab ich beide Seiten gesehn, und suchte sich eine aus, der er
einen Patsch auf den Hintern gab
& sprach Du bist mein. Und das war die ganze Mühe der Brautwerbung.
- (
aub
)
Brautwerbung (2) Auch der
künftige Feind des Odysseus, Aias, der Sohn des Telamon, war
unter den Freiern der Helena. Von seiner kleinen Insel Salamis
aus konnte er nicht viel versprechen, er bot aber an - und dies
schien ihm ein großzügiges Angebot zu sein -, alle Herden von
Troizen, Epidauros, Aigina, Megara, Korinthos, Hermione, Mases
und Asine zusammenzurauben. Er wäre dazu mit seiner langen Lanze
fähig gewesen. Ohne die schützende Nähe der Göttin Athene schritt
er wie Ares in der Schlacht einher und stand in der Erscheinung
und in kriegerischen Taten nur dem Achilleus nach. Riesenhaft
an Gestalt, mit seinem turmhohen Schild, der mit ihm auch seinen
Halbbruder Teukros ganz decken konnte, allein noch keinen Panzer
tragend, ragte er wie aus älteren Zeiten in die Kämpfe um Troja
hinein. Der Steinwurf der alten Heroen gehörte noch zu
seiner Kriegskunst. - (
kere
)
Brautwerbung (3) «Ich fürchte, er tut Ihnen weh, der Brief hier, meine liebe Lise» (obwohl der Schreiber Russisch benutzte, nannte er sie in dem ganzen Brief bei dieser französischen Namensform, vermutlich um sowohl das zu vertrauliche ‹Lisa› als auch das zu förmliche ‹Jelisaweta Innokentijewna› zu vermeiden). «Einem empfindlichen (tschutkyj) Menschen tut es immer weh, einen anderen in einer peinlichen Lage zu sehen.
Sie, Lise, sind von Dichtern, Wissenschaftlern, Künstlern, Dandys umgeben. Der berühmte Maler, der voriges Jahr Ihr Portrait gemalt hat, trinkt sich heute in der Wildnis von Massachusetts zu Tode (goworjat, spilsja). Gerüchte wollen noch von vielem anderen wissen. Und hier bin ich und wage es, Ihnen zu schreiben.
Ich sehe nicht gut aus, ich bin nicht interessant, ich bin
nicht begabt. Ich bin nicht einmal reich. Aber, Lise, ich biete
Ihnen alles, was ich besitze, bis zum letzten Blutkörperchen,
bis zur letzten Träne, alles. Und glauben Sie mir, das ist mehr,
als Ihnen ein Genie bieten kann, denn ein Genie muß so vieles
zurückhalten und kann also auch nicht wie ich sein ganzes Selbst
drangeben. Vielleicht werde ich nicht glücklich, aber ich weiß,
ich werde alles tun, um Sie glücklich zu machen. Ich will, daß
Sie Gedichte schreiben. Ich will, daß Sie Ihre psychotherapeutische
Forschung fortsetzen — von der ich nicht viel verstehe, während
ich bei dem, was ich verstehe, die Richtigkeit in Zweifel ziehe.
Übrigens schicke ich Ihnen mit getrennter Post eine Streitschrift,
die mein Freund, Professor Chateau, in Prag veröffentlicht hat;
in ihr widerlegt er glanzvoll die Theorie Ihres Dr. Halp, die
Geburt sei ein suizidaler
Akt des Säuglings. Ich habe mir erlaubt, auf Seite 48 von Chateaus
hervorragendem Aufsatz einen offenkundigen Druckfehler zu verbessern.
Ich erwarte Ihre...» (wahrscheinlich «Entscheidung», den unteren
Rand mit der Unterschrift hatte Lisa abgeschnitten). -
Vladimir Nabokov, Pnin. Reinbek bei Hamburg 2004 (zuerst 1957)
Brautwerbung (4)
Ward je in dieser Laun ein Weib gefreit? |
- Shakespeare, König Heinrich der Sechste, Dritter Teil
Brautwerbung (5) Dieser Mann
mit dem viel zu großen Kopf und dem durch die Blattern bis zum
Schreckenerregen entstellten Gesicht
wirkte dennoch auf die meisten Männer und Frauen verzaubernd.
Ahnten sie in diesen entstellten, aber kräftigen Zügen die Macht
einer großen Persönlichkeit? Wurden sie verführt von dieser vollklingenden
und musikalischen Stimme, die über alle Töne von der zartesten
Weichheit bis zum grollenden Donner des Zorns verfügte? Erlag
der matte Widerstand der Frauen dem glühenden Feuer seiner Werbung?
Im einzelnen bleibt sein Erfolg immer ein Rätsel; genug, er siegte
fast immer, auch über die junge Emilie von Marignane, der er
sich mit zweiundzwanzig Jahren näherte, obwohl er sie nicht liebte.
Er warb um sie, weil ihm ihr Geld das glänzende Leben zu sichern
schien, dessen er zu bedürfen glaubte. Er gewann sie gegen ein
Dutzend reicherer und vornehmerer Nebenbuhler, er überwand auch
den Widerstand der Eltern. Es war ganz Mirabeau, es war allzusehr
Mirabeau, wie er es tat: er stellte sie vor aller Welt mit voller
Absicht so bloß, daß ihrem Vater nichts übrigblieb, als die Einwilligung
zu geben. - Paul Sethe, Die großen Tage. Von Mirabeau
zu Bonaparte. München 1965 (dtv 313)
Brautwerbung (6) Eines Tages war der König auf der Jagd, und er besuchte die Begräbnisstätte seiner Frau, um nachzusehen, ob er wieder heiraten könne, ohne sein Versprechen zu brechen. Auf dem Grab wuchs ein Dornbusch. Als er das sah, suchte er sofort Rat, welche Frau er nun heiraten solle.
Einer seiner Höflinge sprach: «Ich kenne eine gute Frau, die Euch gefallen mußte. Es ist die Frau des Königs Doged.»
Sie gingen also hin, um sie anzuschauen. Sie erschlugen Doged und nahmen
die Frau und die Tochter mit, und Kilydd eignete sich die Herrschaft über Dogeds
Besitz an. - (
wal
)
Brautwerbung (7) In seinem Schlafzimmer im Roland House lächelte Mr. Wargrave, während er die Zähne bürstete, seinem Spiegelbild selbstgefällig zu. Er hatte beschlossen, Amys Werbung am letzten Tag des Schuljahres zu erhören. Bis dahin waren nur noch fünf Tage.
Mr. Wargrave glaubte nicht an den Zufall. Es war kein Zufall, daß Amy Harrison, scheinbar aus eigenem Entschluß genau zu dem Ergebnis gekommen war, zu dem Mr. Wargrave zwei Jahre zuvor gelangt war: Eine Heirat zwischen ihnen war ihren gemeinsamen Interessen am dienlichsten. Nein, es war nicht im mindesten Zufall, es war gute, überlegte Regie, denn in den vergangenen zwei Jahren hatte Mr. Wargrave gerade diesen Gedanken mit sublimsten Methoden bei Amy Harrison wachsen und gedeihen lassen.
Amy allerdings war der Meinung, die Idee stamme ganz und gar von ihr selbst, aber genau das war es, was sie sich nach Mr. Wargraves Vorstellungen denken sollte.
Mr. Wargrave war ehrgeizig. Für einen Junglehrer ohne Abschluß an einer der großen Universitäten, ohne Geld, ohne Aussichten, ohne einflußreiche Freunde und mit einem leichten Lancashire-Akzent schien die Zukunft sehr dunkel. Tüchtigkeit im Beruf führt niemals dazu, daß man zum Besitzer einer eigenen florierenden Schule wird. Das alles hatte Mr. Wargrave von Anfang an gewußt. Deshalb hatte er die Schule mit Bedacht gewählt. Erforderlich war, daß es an dieser Schule eine Tochter gab, die nicht übermäßig gewinnend war. Nachdem er diese Schule gefunden hatte, ging Mr. Wargrave auf Beobachtung, studierte die fragliche Tochter sorgfältig, vor allem überprüfte er die Frage, womit man am stärksten ihren Beifall erringen konnte und ging dann ans Werk.
Es gab in Mr. Wargraves Methoden keinen schwachen Punkt. Amy würde nie etwas von dem sorgsamen Plan erfahren, den er entworfen hatte. Sie würde niemals in die Lage kommen ihm vorzuwerfen, er habe sie nur ihrer Schule wegen geheiratet. Nicht er ging auf die Jagd, o nein, Amy war es, die alles bestimmte.
Und Amy hatte sich genau in den Plan eingepaßt.
Insgeheim amüsierte sich Mr. Wargrave oft über Amys Werben. Es war so ein
geschäftsmäßiges Werben. Nie war von Liebe oder derlei sinnlosen Dingen die
Rede. Amys Werbung hatte fast gänzlich darin bestanden, Mr. Wargraves Andeutungen
weiterzuentwickeln, zu klären und sie dann an den Urheber zurückzugeben. Eine
Frau kann nicht allein eine Jungenschule leiten, pflegte Amy zu sagen, mag sie
auch noch so fähig sein. Sie muß einen fähigen Mann an ihrer Seite haben, einen
Mann, der entweder ihr Bruder oder ihr Ehemann ist, aber Amy hatte keinen Bruder.
Trotz seines angeborenen Ernstes hatte Mr. Wargrave gelegentlich gelächelt,
nicht weil er das Humoristische der Situation gesehen hätte, sondern weil sein
Plan so ausgezeichnet funktionierte. - Anthony Berkeley, Der Kellermord. München
1979 (zuerst 1932)
Brautwerbung (8) «Euere Tochter Deborah», begann Jankele vorsichtig. «Geht sie manchmal ins Theater?»
«Nein. Ich lasse mein Weibervolk nicht herumschwärmen. Die Frau gehört ins Haus. Wie auch geschrieben steht: ‹Ich nenne mein Weib nicht Weib, sondern Haus›.»
«Nu, sie würden sich dort aber gut unterhalten.»
«Wir sind nicht auf der Welt, um uns zu unterhalten.»
«Recht habt Ihr - sehr recht», bemerkte Jankele mit tugendsamer Miene. «Wir sind hier, um zu erfüllen das Gesetz Mosis. Aber weh, erinnert mich nicht daran! Bin ich doch ein Sünder in Israel!»
«Wieso?»
«Bin ich nicht fünfundzwanzig und hab noch keine Ehefrau?»
«Ihr werdet wohl eine Menge in Polen zurückgelassen haben!»
«Ich schwör Euch bei meiner Seele, nein. Nur eine, und der mußte ich geben den Gett, den Scheidungsbrief, weil ihr Leib unfruchtbar war. Schreibt nur dem Rabbi in meinem Städtel, der wird es bestätigen.»
«Warum sollte ich ihm schreiben? Das ist nicht meine Sache.»
«Ich möchte aber, daß Ihr es macht zu Euerer Sache.»
Manasseh blickte zornig. «Fangt Ihr schon wieder an?»
«Es ist nicht so sehr, daß ich mir wünsche Euere Tochter zum Weib - wie Euch zum Schwiegervater!»
«Es kann aber nicht sein», sagte Manasseh freundlicher.
«Oj, was bin ich nicht geboren als Sephardi!» stöhnte Jankele.
«Dazu ist es jetzt zu spät», sagte da Costa. -
Israel Zangwill, Der König der Schnorrer. München 1994 (zuerst 1894)
Brautwerbung (9)
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