rautbett   Zur fünften Stunde betrat  Bartlett den Scheiterhaufen so behende, als stiege er in das tatsächlichste Brautbett, und es kommen mir mit solcher Wendung meiner Feder des Bartletts eigene Worte wieder zu Sinn, da er zu mir sagte, er hoffe noch heute der Bräutigam seiner Großen Mutter zu sein, mit welcher lästerlichen Rede er ohne allen Zweifel die Heimkehr zu seiner schwarzen Mutter Isais vermeinte.

Und nachdem er das Gerüst erklommen, rief er laut lachend dem Bischof zu: »Habet wohl acht, Herr Pfaff, wenn ich nun anstimme das Lied der Heimfahrt, daß Ihr Eure Glatze wahret, ansonsten ich Euch mit einem Tropfen Pech und feurigen Schwefels zu beträufeln willens bin, davon Euch das Hirn brenne bis zu Eurer eigenen Höllenreise!«

Es war aber in der Tat der Scheiterhaufen mit Tücke und ausgeklügelter Grausamkeit aufgerichtet so unerhört als nie zuvor, und, wolle Gott, nie wieder ein solcher war noch sein wird in dieser jammervollen Welt. Nämlich es war auf dem Stoß von feuchtem, schlechtbrennendem Kiefernholz eine Stange errichtet, daran sie den Bartlett festbanden mit eisernen Klammern. Dieser Marterbaum aber war umwunden mit Schwefelfaden bis oben und hing ob dem Haupte des armen Sünders ein Pech- und Schwefelkranz von sehr ansehnlicher Dicke.

Als nun der Henker die Fackel allerorten in das Holz stieß, brannte zuerst lichterloh, gleich einer Lunte, der Schwefelfaden und leitete die öligen Flammen zuerst hinauf in die Kränze zu Häupten des Delinquenten, so daß ein langsamer Regen von brennendem Schwefel und Pech auf diesen hernieder zu träufeln begann.

Aber es war alles trotz des grauenerregenden Anblicks, als sei es nur ein erquickender Frühlingsregen und Manna für den wunderbaren Mann an dem Pfahl. Viele schändende und ätzende Scherzreden führte er unterweilen gegen den Bischof, so daß dieser auf seinem Sammetstuhl bald viel eher wie am Pranger saß, als sein Opfer auf dem Scheiterhaufen. Und hätte Sir Bonner mit guter Art von dem Orte seiner öffentlichen Sündenansage, die sein Geheimstes wußte und nicht schonte, weichen können, er hätte es mit tausend Freuden getan und gerne auf die Wollust an dieser Hinrichtung verzichtet! So aber schien er unter einem unbegreiflichen Bann zu stehen und es blieb ihm nichts anderes übrig, als schweigend in Qualen der Wut und der Scham zu beben und schäumenden Mundes Befehl über Befehl an seine Knechte zu geben, daß sie nun mit allen Mitteln das Werk beschleunigten, so er zuvor auf das Schrecklichste hinauszuzögern gedacht hatte. Es war jedoch wunderbar zu sehen, wie keines von den Geschossen, die zuletzt hageldicht auf den Bartlett gesandt wurden, ihn zum Verstummen brachten, als sei er fest und gefeit an seinem ganzen Leibe. Endlich brachte trocken aufgeschüttetes Holz und Reisigwerk, mit viel Werg untermischt, den Holzstoß zum Auflodern und der Bartlett verschwand in Flammen und Rauch. Da aber begann er zu singen, dröhnend und jubelnd, wie kaum im Kerker zuvor, als er sich an der Mauer gewiegt hatte, und ins Geprassel des Holzes klang schauerlich und fröhlich zugleich sein wildes Lied:

»Hoë ho! Der Starmatz vom Ast
Nach der Mauser im Mai.
Hoë ho!
Wir singen und schwingen vom obersten Mast:
Hij, Mutter Isaï!
Hoë ho!«

Es war totenstill auf dem Richtplatz ringsum und die Angst und das Entsetzen kroch den Henkern und Knechten und Richtern, Pfaffen und Herren, über alle Glieder und zum Halse heraus, daß es schier lächerlich anzuschauen war. Vor allen Andern aber saß Seine Lordschaft, der Bischof Bonner, als wie ein graues Gespenst in seinem Stuhl, dessen Lehnen seine Hände wie erstarrt umkrampft hielten. Stieren Auges sah er in die Flammen. Als dann der letzte Ton des Liedes verklungen war im Munde des brennenden Bartlett Green, da sah ich den Bischof mit einem Schrei auftaumeln wie einen Gerichteten. Mochte nun ein Windstoß in den Scheiterhaufen gefahren sein, oder waren dämonische Mächte in Wahrheit gegenwärtig und am Werk: es hob sich mit einemmal vom obersten Scheiterhaufen ein Geflock von Flammen, gleich rotgelben Zungen, und flatterte, stob und wirbelte schräg aufwärts in den Abendhimmel just in der Richtung des bischöflichen Thronsitzes und über das Haupt Sir Bonners hinweg. Ob dieses Haupt dabei von einem der höllischen Schwefeltropfen berührt und versengt wurde, wie der Bartlett noch kurz zuvor prophezeit hatte, kann ich nicht sagen. - Gustav Meyrink, Der Engel vom westlichen Fenster. München 1984 (zuerst 1927)
 

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