rauchbarkeit
Ich brauche auch eine Reihenfolge, dachte
Keuschnig. — Aber für eine Reihenfolge brauchte er voraus ein System.
— Aber es gab für ihn kein System mehr. — Aber wozu brauchte er dann eigentlich
eine Reihenfolge? — Um zu vertuschen, daß er kein
System mehr hatte. — Mir fällt nur ein, was ich nicht gebrauchen kann,
dachte er.
- Peter Handke. Die Stunde der wahren Empfindung. Frankfurt
am Main 1975
Brauchbarkeit (2) Ein kleiner, schmaler Mund, unter einem kleinlichen Nasloch, und
einer zirkelbogigen Stirn, ist immer leicht erschreckbar, furchtsam-blöde,
schwach-eitel und unberedt - Kommen große, hervorstehende, unhelle Augen
dazu, und ein ablanges, beinernes Kinn, so dürft ihr - besonders bey offnem
Munde - des Blödsinns noch sicherer seyn.
Doch, ist's nur beynahe so, so sind die Charakter häuslich, brauchbar und
fromm. - Johann Caspar Lavater,
Hundert physiognomische Regeln
Brauchbarkeit
(3) Puthoff arbeitete als Laserspezialist am renommierten Stanford Research Institute International (SRI), Kalifornien. Mit verdeckter Finanzierung der CIA testete Puthoff mit dem Plasmaphysiker Russel Targ
in den Labors allerhand Hellseher. Unter dem Codewort "Scanate"
(scanning by coordinate) sollten Testpersonen anhand mitgeteilter
geographischer Koordinaten erraten, was sich an entsprechender Stelle
verbirgt. Eine der (im wahrsten Sinne des Wortes) vielversprechendsten Testpersonen war der bekannte Hellseher Ingo Swann,
der sich den Forschern auf deren Ausschreibung hin als Testperson
anbot. Swann will über die Fähigkeit verfügt haben, in Kisten
versteckte Gegenstände erraten zu können. Zudem will er bei einer
"Out-of-body"-Reise Jupitermonde etc. gesehen haben, bevor diese von
Sonden nachgewiesen wurden. Swann spielte eine Schlüsselrolle in der Scientology-Church.
Bis heute hält sich hartnäckig das werbewirksame Gerücht, Scientologe
Swann habe die CIA so beeindruckt, dass diese um ihre Geheimnisse
gefürchtet und daher die "Scientology Church" unterwandert habe, um
diese zu diskreditieren. Targ und Puthoff prägten für Swanns
hellseherische Kräfte den pseudowissenschaftlichen Begriff "remote
viewing" (fernes Sehen). Swann verlor nach acht Monaten zunächst das
Interesse an der Zusammenarbeit, da er sich eher in der Rolle des
Machers als des Versuchskaninchens sah.
Ein weiterer szenebekannter Kandidat war der Ex-Streifenpolizist Pat Price. CIA-Direktor Stansfield Turner persönlich rühmte die angeblich überzeugenden Ergebnisse nach Price überraschendem Tod später sogar öffentlich. Derartiges Lob ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, neigen doch Geheimdienstchefs ähnlich wie gewöhnliche Politiker dazu, ihre naturgemäß nur bedingt nachprüfbare Arbeit zu glorifizieren und Niederlagen zu bagatellisieren. Der 1996 freigegebene Geheimbericht des Militärphysikers Dr. Kenneth A. Kress von 1977 bewertete die Ergebnisse nüchterner.
Prominentester Proband der CIA-finanzierten SRI-Forschung war 1973 ein gewisser Uri Geller, dessen übersinnliche Kräfte Scientologe Puthoff bis heute für authentisch hält. 1975 stellte die CIA die Finanzierung ein. Die während des "MK Ultra"-Projekts begonnene Zusammenarbeit mit Hellsehern wurde 1976 im Zuge der Watergate-Affäre erstmals der Öffentlichkeit bekannt. Targs und Puthoffs esoterische Forschung mit Swann, Price und Geller hat Parapsychologiekritiker James Randi in seinem Klassiker "Flim-Flam!" (1982) ein eigenes Kapitel mit dem charmanten Titel The Laurel and Hardy of Psi gewidmet, wobei in Bezug auf das SRI die Rolle der CIA allerdings damals noch geheim geblieben war.
Als Sponsor für die parapsychologische Grundlagenforschung am SRI sprang die Air Force ein, die für Feindaufklärung per coordinate viewing zu haben war, und Puthoff, Targ und letztlich wieder Swann blieben beschäftigt.
- Markus Kompa,
telepolis
vom 12.03.2007
Brauchbarkeit
(4)
Mr.
Pickering und ich gingen in Westminster Hall ein, zwei Stunden im Gespräch
auf und ab, und obgleich er ein Narr sein mag, hat
er doch viele Kontakte und erzählt einem alles, was er sieht oder hört, und
so kann man erfahren, worum sich das Stadtgespräch dreht; und ich höre von ihm,
daß es Bemühungen gibt, Mylord auf der See auszuschalten, wovon sich, glaube
ich, Mr. Coventry und der Herzog größere Macht versprechen, aber ich hoffe trotzdem,
daß sie es nicht können. Er erzählt mir offen von den Lastern am Hof und daß
die Syphilis dort so alltäglich ist, und so höre ich von allen Seiten, daß sie
so alltäglich ist wie Essen und Fluchen.-
(
pep
)
Brauchbarkeit
(5)
Wir
müssen jetzt auf die Beziehung zwischen Johnson und der kleinen
Japanerin kommen. Der Amerikaner hat sich ihrer nur sehr wenig zu seinem
persönlichen Vergnügen bedient, denn seine Sinne waren anderwärts gebunden
: das Mädchen diente lediglich als Zusatz, als Nebenfigur, in gewissen Kompositionen,
in denen Lauren stets die erste Rolle behielt - wenn auch nicht die angenehmste.
Das war damals, als Kito Pensionärin der Villa war; wenn Johnson sie später
dort herausnahm, so zu ganz anderer Verwendung, um sie Experimenten zu unterziehen,
auf denen sein zukünftiger, in seiner Phantasie schon jetzt beachtlicher Reichtum
gründete. (Seine gegenwärtigen Einkünfte aus gutgehenden Geschäften in Macao
und Kanton waren von bescheideneren Ausmaßen.) Hier muß näher erläutert werden,
daß die Rauschgiftkulturen, die er seit kurzem nahe der Grenze betrieb, außer
Mohn, Hanf und Kokapflanzen noch eine ganze Reihe anderer Sorten enthielten.
Johnson verkaufte tatsächlich in die Chinesenviertel der ganzen Welt, vom Indischen
Ozean bis San Francisco, alle Sorten von Heilmitteln, Giften, Verjüngungselixieren,
Liebestränken, Aphrodisiaka, deren Wirkungen - verlockend angepriesen in bebilderten
Prospekten oder den Anzeigen von Zeitschriften mit speziellem Kundenkreis -
nicht ausschließlich der Phantasie des Verkäufers entstammten. Seine letzte
Idee, die den Ruhm des allzu berühmten »Tigerbalsam« in den Schatten stellen
würde, war ein Präparat, das zur Hälfte in das Gebiet der Kräuterkunde und zur
Hälfte in das der Magie gehörte und dessen Rezept er in einer Neuausgabe eines
religiösen Werks aus der Tschou-Periode entdeckt hatte. Aber Johnson war weder
Magier noch Pharmazeut noch Botaniker. Erbesaß lediglich eine gewisse Geschäftstüchtigkeit,
die er oft auf Kosten seiner Teilhaber bewies: er hatte sich zum Beispiel unter
dem Decknamen einer der zahlreichen Firmen, die er bei jeder Gelegenheit gründete,
mit einem jungen Holländer aus gutem Hause namens Marchat zusammengetan, der
Selbstmord begangen hatte, aus Gründen, die nicht aufgeklärt wurden. - Alain
Robbe-Grillet, Die blaue Villa in Hongkong. München 1969 (dtv 548, zuerst
1965)
Brauchbarkeit
(6)
Lavoisier
nimmt 1794, während der französischen Schreckensherrschaft, vor dem Revolutionsgericht
das unausweichliche Todesurteil zur Kenntnis, bittet aber um ein bis zwei Wochen
Aufschub, um ein paar Experimente abzuschließen. Coffinhal,
der junge Richter, der sein Schicksal besiegelt hat,
lehnt das Ansinnen ab und behauptet: La République n'a pas besoin de savants
(»die Republik braucht keine Wissenschaftler«). - Stephen Jay Gould: Bravo, Brontosaurus. Die verschlungenen Wege der Naturgeschichte. Hamburg 1994
Brauchbarkeit
(7)
Die
eigentliche Bedeutung der Eunuchen in den alten Gesellschaften war politischer
Natur. Sie waren die besten Haremshüter und füngierten als ungefährliche Begleiter
und Sekretäre der Damen am Hof. Man konnte ihnen die
höchsten Ämter im Staat anvertrauen, ohne befürchten zu müssen, daß sie sich
diese Position zunutze machten und eigene Dynastien
gründeten. Sie waren nicht, wie andere Männer, durch sexuelle Gunstbezeugungen
erpreßbar und daher ideale Politiker und Beamte.
Sie konnten weder der Vergewaltigung bezichtigt
noch mit Vaterschaftsklagen belastet werden.- (
erf
)
Brauchbarkeit
(8)
LEADING sind einfach besonders ausgewählte, intelligente, sorgfältig
zu Aufsehern und Leitern von Molcharbeitskolonnen herangebildete, in der Regel
dreijährige Molche. Sie werden einzeln, ohne Rücksicht
auf das Körpergewicht, verkauft, denn es wird nur ihre Intelligenz gewertet.
Die ein gutes Englisch sprechenden Singapore Leading gelten als erstklassig
und sind wegen ihrer besonderen Verläßlichkeit geschätzt. Verschiedentlich
werden auch andere Marken von Leitmolchen angeboten, wie die sogenannten Capitanos,
Ingenieure, Malayan Chiefs, Foremanders und so weiter, aber Leading erzielen
den höchsten Preis, der sich heute um sechzig Dollar das Stück bewegt.
HEAVY sind schwere, athletische, gewöhnlich zweijährige Molche, deren Gewicht zwischen hundert und hundertzwanzig englischen Pfund schwankt. Sie werden nur in Trupps (sog. bodies) zu sechs Einzelmolchen verkauft und sind auf schwerste körperliche Arbeit gedrillt, wie Felsenbrechen, Wegwälzen von Steinblocken und dergleichen mehr. Wenn der angeführte Kursbericht Heavy 317 angibt, so bedeutet dies, daß für einen sechsgliedrigen Trupp (body) schwerer Molche dreihundertsiebzehn Dollar gezahlt werden. Jedem Trupp schwerer Molche wird in der Regel ein Leading als Aufseher und Leiter zugeteilt.
TEAM sind gewöhnliche Arbeitsmolche im Gewicht von achtzig bis hundert Pfund, die nur in Arbeitskolonnen (teams) zu zwanzig Stück verkauft werden. Sie sind für Massenarbeit bestimmt und werden mit Vorliebe zu Ausbaggerungen, zur Errichtung von Aufschüttungen, Dämmen und ähnlichen Arbeiten verwendet. Auf jedes zwanziggliedrige Team entfällt ein Leading.
ODD JOBS bilden eine Klasse für sich. Es sind dies Molche, die aus verschiedenen Gründen keine Massen- oder Spezialschulung genossen haben, beispielsweise weil sie nicht in den großen, fachmännisch geleiteten Molchfarmen aufgewachsen sind. Eigentlich sind es halbwilde, oft allerdings sehr begabte Molche, die einzeln oder in Dutzenden gekauft und zu verschiedenen Hilfsarbeiten oder kleineren Leistungen verwendet werden, für die es nicht die Mühe lohnt, einen ganzen Molchtrupp oder eine Arbeitskolonne abzukommandieren. Wenn die Leading unter den Molchen als Elite betrachtet werden können, stellen die Odd Jobs eine Art kleines Proletariat dar. In letzter Zeit werden sie mit Vorliebe als Molchrohstoff gekauft, den die einzelnen Unternehmer weiter ausbilden und in Leading, Schwere, Team oder Trash einteilen.
TRASH oder Ausschuß (Pofel, Abfall) sind minderwertige, schwache oder mit Körperfehlern behaftete Molche, die weder einzeln noch in Gruppen verkauft werden, sondern in größeren Gewichtseinheiten, meist waggonweise. Das Kilogramm Lebendgewicht kostet heute sieben bis zehn Cents. Wozu sie dienen und zu welchem Zweck sie gekauft werden, ist nicht bekannt. Vielleicht für leichtere Arbeiten im Wasser. Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, betonen wir von neuem, daß Molche für Menschen ungenießbar sind. Diesen Trash kaufen beinahe ausnahmslos chinesische Zwischenhändler in Bausch und Bogen auf. Wohin sie ihn bringen, konnte nicht festgestellt werden.
SPAWN ist einfach Molchlaich, genauer gesagt, Larven bis zu einem Jahr. Sie werden hundertweise ge- und verkauft und erfreuen sich eines sehr guten Absatzes, hauptsächlich weil sie preiswert sind und sich bezüglich des Transports am billigsten zu stehen kommen. Erst am Bestimmungsort werden sie so lange gezüchtet, bis sie arbeitsfähig sind. Spawn wird in Fässern versandt, denn die Larven verlassen das Wasser nicht, was für die erwachsenen Molche tägliches Bedürfnis ist.
Nicht selten kommt es vor, daß aus dem Spawn Einzeltiere von ungewöhnlicher
Begabung hervorgehen, die sogar den standardisierten Leadingtyp übertreffen.
Das verleiht dem Laichgeschäft besonderen Anreiz. Diese hochbegabten Molche
werden dann für einige hundert Dollar das Stück verkauft. Der amerikanische
Millionär Denicker zahlte sogar einen Preis von zweitausend Dollar für einen
Molch, der neun Sprachen fließend sprach, und ließ ihn in einem Sonderschiff
nach Miami transportieren; der Transport allein kostete nahezu zwanzigtausend
Dollar. In letzter Zeit wird der Laich mit Vorliebe für die sogenannten Molchställe
gekauft, wo schnelle Sportmolche aussortiert und trainiert werden. Je drei werden
dann vor flache, muschelförmige Kähne gespannt. Wettrennen in Muschelkähnen,
die von Molchen gezogen werden, sind jetzt hoch in Mode und bilden die beliebteste
Unterhaltung der jungen Amerikanerinnen in Palm-Beach, Honolulu oder auf Kuba.
Sie werden Triton-races oder Venusregatten genannt. In der leichten, dekorativen,
über den Meeresspiegel dahingleitenden Muschel steht die Teilnehmerin des Wettkampfes
in einem möglichst kurzen, reizvollen Badeanzug und hält die seidenen Zügel
des Molchdreigespanns in den Händen. Es wird um den Titel der Venus gekämpft.
Mr. J. S. Tincker, der bekannte Konservenkönig, kaufte seiner Tochter ein Dreigespann
von Rennmolchen, Poseidon, Hengist und King Edward, für nicht weniger als sechsunddreißigtausend
Dollar. Aber das liegt nicht mehr im Rahmen des eigentlichen S-Trade, der sich
darauf beschränkt, der ganzen Welt solide Arbeitstiere, Leadings. Heavies und
Teams zu liefern. - (
mol
)
Brauchbarkeit
(9)
Rousseau verbrachte fast ein halbes Jahr als Priesterschüler
bei einem Herrn Gros im Seminar von Saint-Lazare in Annecy. Aber Herr Gros war
ein Lazarist, ein guter, kleiner, einäugiger Mann, ein magerer Graukopf, der
gescheiteste und lustigste Lazarist, den es je gegeben hat, was freilich nicht
viel heißen will, der aber mit seiner Mama schäkerte, so daß Rousseau den geistlichen
Stand von einer ihm völlig fremden Seite kennenlernte. Er sagte: »Ein Seminar
ist ein trübseliges Haus, besonders für den, der das einer liebenswürdigen Frau
verläßt.« Als er sich mehr mit einem Herrn Gâtier, einem Vikar, der später ein
Mädchen schwängerte und mehr mit der Musik als mit den frommen Verrichtungen
beschäftigte, wurde er Frau von Warens zurückgegeben als ein Subjekt, das, obwohl
ein guter Bursche ohne schlechte Eigenschaften, noch nicht einmal zum Priester
taugte.- Ludwig Harig, Rousseau. Der Roman vom Ursprung der Natur im Kopf.
München 1981 (zuerst 1978)
Brauchbarkeit
(10) Leute,
die sich normalerweise der typischen Macho-Formen von Gewalt bedienen, sind
nicht gut darin; Gang-Mitglieder wären ganz schlechte Selbstmordattentäter.
Sanftmütige Leute aus der Mittelschicht dagegen eignen sich hervorragend. Da
sie an sich nicht die Konfrontation suchen, müssen sie kein prahlerisches oder
drohendes Gebaren kaschieren, das sonst ihre Opfer vorwarnen würde. Ein selbstbestimmter,
introvertierter Mensch braucht kein jubelndes Publikum, wenn er seine Beute
verfolgt. In der Kultur der Mittelschicht ist es üblich, sich nach außen hin
einen unauffälligen Anschein zu geben. -
Randall
Collins
, Soziologieprofessor, FR vom 25. Januar 2007
Brauchbarkeit
(11) Als
allgemeine Regel gilt, daß alles, was man von Tieren nimmt, seien es nun
Steine, oder Glieder, oder Exkremente, wie Haare, Kot, Klauen von denselben,
solange sie noch leben genommen werden muß, und auch, wenn es geschehen kann,
auf eine Weise, daß sie noch nachher am Leben bleiben. Es ist deshalb Vorschrift,
wenn man eine Froschzunge holt, den Frosch lebendig wieder ins Wasser zu werfen;
wenn man einen Wolfszahn oder ein Wolfsauge braucht, so soll man den Wolf nicht
töten, und ebenso in ähnlichen Fällen. Demokritus
schreibt: Wenn man einem lebenden Froschfisch (auch Seeteufel genannt) die Zunge
herausnimmt, ohne daß ein anderer Teil des Körpers daran hängen bleibt, den
Fisch selbst wieder in das Meer wirft und diese Zunge auf das klopfende Herz
eines schlafenden Weibes legt, so wird sie alles, was man sie fragt, der Wahrheit
gemäß beantworten. Froschaugen, die man vor Sonnenaufgang dem Kranken anhängt,
während die geblendeten Frösche wieder ins Wasser geworfen werden, sollen das
dreitägige Fieber vertreiben; eben dieselben mit Nachtigallenfleisch
in Hirschhaut angehängt, verscheuchen, wie man sagt, den Schlaf und verleihen
Wachsamkeit. - (nett)
Brauchbarkeit
(12) Ich
hörte von einer ehrbaren Dame, die einen sehr häßlichen
Freund und einen sehr schönen, sehr anmutigen Ehemann
hatte; auch war die Dame selbst sehr schön. Ihre Vertraute machte ihr Vorstellungen,
warum sie nicht einen schöneren Anbeter wählte. »Wißt Ihr nicht«, antwortete
sie, »wenn man ein Land tüchtig bebauen will, braucht man mehr als einen Arbeiter,
und gewöhnlich sind gerade die schönsten und feinsten nicht die geeignetsten,
sondern vielmehr die bäuerlichsten und robustesten?« - (
brant
)
Brauchbarkeit
(13)
»Ist
gar nicht so schlecht. . .« meinte er zu seiner Frau, »he?«
»Ja«, antwortete sie ihm ernst, »es ist gerade das, was du brauchst. . .«
»Wie die Duterln noch ganz hoch sitzen«, meinte er.
»Sie sind noch nicht ganz heraußen . . .« erklärte die Frau.
»Und gar keine Hüften noch«, konstatierte Capuzzi.
»Auch noch so wenig Haare .. . .« zeigte ihm die Frau, auf meine Muschel deutend. Sie waren zufrieden mit mir und Capuzzi versprach, daß ich es auch sein sollte. Er richtete seine photographischen Apparate, fuhr mit dem Kopf unter das schwarze Tuch, und ich sah ihm gespannt zu. Inzwischen kam Albert aus dem Zimmer und war nackt. Er lächelte mich an, weil ich wie gebannt auf sein Bajonett schaute, das er schon aufgepflanzt vor sich hertrug.
Frau Capuzzi lachte hell auf und rief: »Er steht ihm richtig schon wieder
...« Capuzzi knurrte: »Sei ruhig . . .« Albert war schön gebaut. Ich bewunderte
seine gewölbte Brust, den eingezogenen Bauch, die von Muskeln geschwellten Arme
und Schenkel, und vor allem den dicken, geraden Solomuskel, der aus seinen Bauchhaaren
gerade emporstieg. - Josefine Mutzenbacher. Die Lebensgeschichte einer
wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt. München
1969 (zuerst
1906)
Brauchbarkeit
(14)
Brauchbarkeit
(15) Er
sagte, ich solle nur meine Röcke ausziehen. Ich gehorchte und behielt das Hemd
an, um mein Vorderes zu verbergen. Er hob es rückwärts soweit empor, als es
mein Mieder erlaubte, und da ich beim Auskleiden mein Busentuch verloren hatte
und meine ganze Brust sichtbar war, ärgerte er sich und rief aus: „Daß der Teufel
die Brüste hole! Wer hat Brüste von dir verlangt?
Das ist es, was mich bei allem, diesen Kreaturen so
ungeduldig macht, immer diese schamlose Manie, die
Tuttel herzuzeigen!" Er ließ sie mich eilig verdecken, und ich näherte
mich ihm, wie um ihn um Entschuldigung zu bitten. Als er aber sah, daß ich ihm
durch die Stellung, die ich dabei einnahm, mein Vorderes zeigte, Wurde er nochmals
ärgerlich und sagte: „So bleib doch in der Stellung, in die man dich gebracht
hat, Herrgottsakrament!" Dabei faßte er meine Hüften und richtete mich
so, daß ich ihm lediglich den Arsch präsentierte.
„Bleib jetzt so," sagte er, „man will weder deine Fut, noch deine Tuttel,
man braucht nur deinen Arsch." - (
sad
)
Brauchbarkeit
(16) Die
Kaiserin Elisabet nimmt Peter d. 3. zum Successor und verheiratet ihn mit einer
liederlichen Prinzessin von Deutschland, bekommt aber mit ihr kein Kind.
Kais. Elisabet sieht Fatalitäten daraus für das russische Reich und rät der Prinzessin, sich irgendeinen Kavalier zu wählen, der ihr zu Erben verhülfe.
Sie wählt einen polnischen flotten und vernünftigen Graf Po-niatowski, der damals in Rußland reiste, und soll von ihm den Prinzen suszipiert haben, der darauf geboren wurde.
Dieses bemerkt Pet. 3.; als er auf den Thron kommt, nimmt er ein Fräulein Rämanshof zu seiner Geliebten und bestimmt seine Kaiserin ins Kloster zu bringen.
Die Kaiserin revoltiert, nimmt ihren Mann zum Gefangenen, gibt ihm Gift,
und wie dies nicht schnell genug operierte, läßt sie ihn strangulieren, der
an sich untauglich war zu regieren. -
(
nem
)
Brauchbarkeit
(17) Aus einer Nische des Bahnhofes trat ein Herr, der Jamaika
sogleich an den Herrn im Korridor erinnerte, mit dem sie fast geflohen wäre.
Wie jener trug er einen Zylinder, ein Monokel
und Frauenschuhe mit einer Tucheinlage. Butterweg
sagte zu Jamaika: »Geh mit diesem Herrn. Er ist ein Freund von mir und wird
dir soviel Geld geben, als wir zur Überfahrt brauchen.« Als Jamaika mit diesem
Fremden um die Ecke verschwunden war, rieb sich Butterweg die Hände: »Zu etwas
ist sie doch noch zu gebrauchen, die alte Kuh!« Am andern Morgen sollte Jamaika
zu einer bestimmten Zeit wieder am Bahnhof sein, um Butterweg zu erwarten. Sie
hatte die ganze Nacht bei dem Herrn mit dem Zylinder verbracht. Er war so höflich
und seine Umgangsformen waren so ausgesucht fein, daß Jamaika die größte Lust
hatte, bei ihm zu bleiben. Er sagte: »Bleiben Sie bei mir. Sie sollen das beste
Leben haben, was Sie sich denken können!« Jamaika kannte schon etwas vom Leben
und sie fragte: »Werden Sie mich heiraten ? Können Sie mir eine Sicherheit geben,
daß Sie mich nie verlassen?« Der Herr nahm seinen Zylinder ab, um seinen Schädel
zu lüften, und Jamaika bemerkte einen dünnen borstigen Scheite!, der mit Anstrengung
quer über den Kopf gezogen war. Dann schüttelte er sich und schlenkerte ein
wenig mit den Beinen, um seinen Hosen Gelegenheit zu geben, gut auf die Stiefel
zu fallen: »Oh,« sagte er, »Sicherheit können Sie bekommen, Jamaika, viel Sicherheit.
Wenn Sie bei mir bleiben, werden wir nach Ägypten fahren
und dort sollen Sie in einer Pension untergebracht werden. Ich habe dann noch
einige Reisen zu machen, aber wenn ich zurückkomme, heirate ich Sie bestimmt.«
Jamaika meinte nachdenklich: »Ich würde gern mit Ihnen gehen. Sie sind so gut
zu mir. Wie ein Vater! Ist die Pension elegant, von der Sie sprechen?« -
Richard Huelsenbeck, Verwandlungen. München 1918
Brauchbarkeit
(18)
Brauchbarkeit
(19) Nagel
hatte nachgedacht. Es ist überraschend, was man mit kleinen Kindern alles machen
kann, sagte er. Man kann sie sich wünschen, man kann sie zeugen, man kann sie
gebären, man kann sie in der Geburt umbringen, man kann sie hegen, man kann
sie pflegen, man kann ihnen die Brust geben, man kann sie verkommen lassen,
man kann sie wachsen und gedeihen sehen, man kann sie mit Napalm überschütten
und anzünden, man kann sie ihren Müttern wegnehmen und in Erziehungslager stecken,
man kann sie elternlos machen, man kann sie sehen lehren, man kann ihnen die
Ohren abschießen, man kann sie lesen und schreiben lehren, man kann sie zu Analphabeten
erziehen, man kann sie überernähren, man kann sie unterernähren, man kann zwei
Dritteln der Kinder der Erde nicht genug zu essen geben, man kann sie lust-morden,
man kann ihnen im Zuge von Kampfhandlungen für Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit
das Leben nehmen, man kann sie heranwachsen sehen, man kann sie in die Schule
schicken, was vielleicht ein Fehler wäre, man kann sie in eine Lehre schicken,
was übel an ihnen gehandelt wäre, man kann sie in die Kirche schicken, was sie
wirklich nicht verdient haben, man kann sie arbeiten schicken oder anderweitig
zum alsbaldigen Verkauf oder Verbrauch geben, man kann sie in die vorhandenen
Hochschulen schicken, was nicht weniger ist, als ihnen die Zukunft zu nehmen,
man kann sie in Uniformen stecken, ihnen das Singen von Marschliedern beibringen,
das Kuschen und Ducken und Gehorchen beibringen, man kann sie mit verlogenen
Doktrinen vollstopfen, man kann sie sich gegenseitig totschießen lassen, man
kann es aber auch ganz und gar bleiben lassen, sie überhaupt in die Welt zu
setzen, was vielleicht das Beste wäre, berücksichtigt man die vielseitige Verwendbarkeit
dieser Lebewesen. -
(baer)
Brauchbarkeit
(20)
Brauchbarkeit
(21) In
all den Jahren habe ich mir den Bart vorn Kinn bis hinab
zu den Füßen wachsen lassen. Im Winter wickle ich ihn um den Hals, damit ich
mir keinen Schnupfen hole. Bei festlichen Gelegenheiten schiebe ich ihn unterm
Hemdkragen durch und knote ihn vorm Adamsapfel zusammen. Er dient mir als Schlinge
für einen gebrochenen Arm. Ich binde mein Glied damit fest: Bei jeder Bewegung
des Kiefers, jeder Silbe, die ich ausspreche, hüpft der Hampelmann auf und ab;
meine Worte lassen die Marionette zappeln, Ich binde die Handgelenke der Frauen
mit meinem haarigen Schnürsenkel ans Kopfteil des Bettes, kitzle sie mit meinem
struppigen Kissen, bis sie aufschreien. Ich klebe die Borsten an einen Stock
und habe einen Pinsel zum Malen, Ich staube Regale und Nippfiguren damit ab.
Ich wickle ihn über die Schlüsselblätter, schlinge ihn unter den Achseln hindurch
und knote ihn hinter den Schulterblättern zusammen, sodass ich einen Schlafsack
mit mir herumtrage. Ich binde Glasstückchen an den Spitzen fest und kasteie
mich damit. Ich binde ihn zur Schlaufe zusammen, schwenke diese in der Luft,
fange mich mit dem Lasso. Ich verknüpfe ihn mit den Häkchen eines dreieckigen
Rahmens, spiele Harfe. Ich schiebe die Härchen durch ein Nadelöhr und nähe mir
ein Brautgewand. - Tiziano Scarpa, Körper. Berlin 2005
Brauchbarkeit
(22)
Brauchbarkeit
(23)
Brauchbarkeit
(24) Die
halbe Stunde Wartezeit war wie ein seltsamer, aber nicht unangenehmer Schwebezustand.
Langsam wurde ihm klar, daß er Bernards Selbstmord gewollt oder gewünscht hatte;
und doch konnte er sich - da er ja gewußt hatte, daß Bernard sich das Leben
nehmen werde - kaum den Vorwurf machen, er habe ihm den Selbstmord aufgezwungen.
Im Gegenteil, Tom hatte sich ihm mehrere Male ganz lebendig in den Weg gestellt;
nur hatte Bernard vielleicht lieber einen Geist in ihm sehen wollen. Außerdem
hatte sein Selbstmord nichts oder fast nichts zu tun mit Toms Überzeugung, daß
er ihn getötet habe. Schließlich hatte sich Bernard doch schon in Toms Keller
- sinnbildlich - erhängt, und zwar mehrere Tage bevor er Tom im Wald überfiel
und begrub.
Tom wußte jetzt auch: Er wollte. Bernards Leiche haben, das war der Gedanke
in seinem Unterbewußtsein gewesen. Er konnte die Leiche als Derwatts Leiche
ausgeben. Dann blieb zwar die Frage offen, was aus Bernard Tufts geworden war,
aber das konnte man später erledigen. - Patricia
Highsmith, Ripley Under Ground. Reinbek bei Hamburg 1974
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