randbekämpfung «Wir wollen sie dem Giaur anbieten! Laß sie nur ruhig heraufkommen. Unseren Stummen fehlt's an Kraft und Erfahrung nicht, sie werden schnell mit den paar erschöpften Männlein fertig werden.» — «Meinetwegen», antwortete der Kalif, «nur mach schnell, daß wir fertig werden; ich möchte zu Tisch.»
Die guten Leute waren tatsächlich außer Atem, da sie die fünfzehnhundert Stufen im Sturmschritt erstiegen, und noch dazu ganz verzweifelt, weil sie unterwegs viel von ihrem Wasser verschüttet hatten. Und als sie endlich oben ankamen, benahmen ihnen die Hitze und der Gestank die erschöpften Sinne. Schade, denn so sahen sie das angenehme Lächeln der Stummen nicht, mit dem diese ihnen den Strick um den Hals legten; doch diese liebenswürdigen Wesen freuten sich trotzdem nicht minder. Niemals sind Menschen leichter erdrosselt worden. Lautlos, ohne Widerstand starb einer neben dem andern, und ein paar Augenblicke später sah sich Vathek umgeben von den Leichen seiner treuesten Untertanen, die die Stummen alsdann ins Feuer warfen. Nun fand Karathis, die Geistesgegenwart und Scharfsinn nie verließen, daß die Zahl der Menschenopfer genüge. Sie befahl, die Sperrketten im Treppenhaus zu spannen und die Eisentür festzustemmen, damit niemand mehr herauf könne.
Kaum waren diese Befehle vollzogen, als der Turm schütterte.
Die Leichen gingen in Flammen auf, die sich plötzlich aus dunklem Karmesin ins
lichteste Rosa verfärbten; ein wunderlieblicher Duft, den die verbrannten Hörner
ausströmten, umschmeichelte die Sinne; die Marmorsäulen fingen an im tiefsten
Wohllaut zu tönen: Karathis geriet in Verzückung und genoß schon im voraus den
Erfolg der Unternehmung, während die stummen Negerinnen, die von den Wohlgerüchen
Kolik bekamen, sich brummend in ihre Zellen zurückzogen. Sofort, als sie weg
waren, verwandelten sich Scheiterhaufen.
Mumien, Hörner und Asche vor Augen und in Händen des Kalifen zu dessen unsäglicher
Freude in eine glänzend gedeckte Tafel mit den allerfeinsten Gerichten, Weinkaraffen
und köstlichem Sorbett auf Schnee. Vathek fiel ohne weiteres über die Speisen
her und war mit Hand und Mund vollauf beschäftigt, ein mit Pistazien gefülltes
Lamm zu verschlingen. - William Beckford, Vathek. Stuttgart 1983 (Bibliothek
von Babel, Bd. 3. Hg. J. L. Borges)
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