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Der Boss Biagio Cava wurde am Flughafen von Nizza verhaftet,
als er gerade nach New York fliegen wollte. Nach seiner Festnahme ging die ganze
Macht in die Hände seiner Tochter, seiner Frau und der anderen Frauen des Clans
über. Nur die Frauen ließen sich im Ort sehen, sie waren nicht nur die geheimen
Verwalterinnen, die denkenden Köpfe, sondern auch das offizielle Symbol der
Familien, Gesicht und Auge ihrer Macht. Wenn sich die rivalisierenden Familien
auf der Straße begegneten, tauschten sie vernichtende Blicke, hochmütige Augenaufschläge
und übten das absurde Ritual, daß der verliert, der zuerst die Augen
niederschlägt. Die Spannung im Ort erreichte ihren Höhepunkt, als die Frauen
der Cava die Zeit für gekommen hielten, zu den Waffen zu greifen. Aus Unternehmerinnen
mußten sie zu Killerinnen werden. Sie trainierten
im Hausflur bei laut aufgedrehter Musik, um die Schüsse
auf die Haselnußsäcke von ihren Latifundien zu übertönen. -
Roberto Saviano,
Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra. München 2006
Boss
(2) Mein Boss war ein großer dicker Mann in den Siebzigern,
mit einem rosigen Großvatergesicht, sanften blauen
Augen hinter einer randlosen Brille, weißem Schnurrbart und so viel Mitgefühl
wie ein Henkerseil. Fünfzig Jahre Verbrecherjagd für die Continental hatten
ihn ausgehöhlt; übriggeblieben waren der Verstand und die leere Hülle einer
verhaltenen, sanft lächelnden Höflichkeit, die sich
immer gleichblieb, ob die Dinge nun gut oder schlecht standen — und in dem einen
Fall so wenig besagte wie im anderen. Wir, die wir unter ihm arbeiteten, waren
stolz auf seine Gefühllosigkeit. Wir pflegten damit
zu prahlen, daß er im Juli Eiszapfen spucken könnte, und nannten ihn unter uns
Pontius Pilatus, weil er stets wohlwollend lächelte, auch wenn er uns zu einem
selbstmörderischen Job ausschickte. - Dashiell Hammett, Raubmord.
Frankfurt am Main und Berlin 1968
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