Lange entbehrte der Gott der Geliebten deshalb: Orithyias, als
er noch fragte und lieber mit Flehn als Gewalt wollte vorgehn. Doch
als er nichts erreicht mit Schmeicheln, spricht er im Zorne schrecklich,
der ihm gewohnt und nur allzu vertraut einem Winde: „Und, wie
verdient! Warum hab' ich auch meine Waffen gelassen? Wildheit,
gewaltige Kraft und Zorn und dräuendes Wüten? Hab' es mitBitten
versucht, die zu brauchen mich schändet! Gewalt ist, was mir
geziemt! Mit Gewalt vertreib ich die düsteren Wolken, wühle das
Meer ich auf, entwurzle die knorrigen Eichen, laß ich erhärten
den Schnee und schlag' ich mit Hagel die Erde. Dann auch, wenn
ich die Brüder am freien Himmel getroffen — der ist nämlich mein
Feld — dann ring' ich mit solch einer starken Wucht, daß der
Äther, gepreßt zwischen unseren Anprall, erdonnert, und, aus
den hohlen Wolken gesehlagen, sprühen die Blitze. Dann auch,
wenn in die wölbigen Gänge der Erd' ich gedrungen, wild den
Rücken gestemmt an das Dach der Höhlen der Tiefe, störe die
Toten ich auf und mache erzittern den Erdkreis. So hätt' ich
sollen werben die Braut, hätte müssen Erechtheus machen zum
Schwäher und nicht ihn bitten, es werden zu wollen."
Als er so. oder doch nicht weniger wild sich geäußert, breitete
Boreas aus die Schwingen. Es wird durch ihr Schlagen alles Land
überweht, und die Weite des Meeres erzittert. Über die Gipfel
der Berge hinschleifend von Staub eine Schleppe, streifte den
Grund und umfaßte, in Dunkel gehüllt, mit den fahlen Flügeln
der Liebende jetzt Orithyia, die schreckenerbleichte. Heftiger,
wilder entfacht durch den Flug, noch brannte sein Feuer. Und
nicht eher lenkte der Räuber den Flug aus den Lüften nieder,
bis er das Volk und die Städte der Thracer erreichte. Dort wird
die attische Jungfrau die Gattin des wilden Tyrannen, Mutter
dann auch und gebiert ihm Zwillinge, die von der Mutter alles
Übrige hatten, vom Vater jedoch ihre Flügel. Doch sind d i e,
wie es heißt, nicht zugleich mit dem Leibe geworden: während
unter dem rötlichen Haar noch fehlte der Bartwuchs, waren die
Knaben Zetes und Calais ohne Gefieder. Bald, wie bei Vögeln,
begannen die Federn zu säumen die beiden Seiten, zugleich sich
die Wangen mit blondem Flaum zu bedecken. Als ihre Knabenzeit
dann dem Jünglingsalter gewichen, fuhren sie bald mit den Minyern
aus nach dem glänzend gehaarten, strahlenden Vlies über fremdes
Meer auf dem ersten der Kiele.
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