Bordellnostalgie    Van bereute niemals seine letzten Besuche einer letzten Villa Venus. Eine blumenkohlige Kerze brannte schmierig auseinanderfließend in ihrer Blechdose auf dem Fenstersims neben dem gitarrenförmigen, in Papier gewickelten Strauß langstieliger Rosen, für die niemand eine Vase hatte finden können oder wollen. Auf einem Bett etwas abseits lag eine schwangere Frau, rauchend und dem Rauch nachblickend, dessen Spiralen sich mit den Schatten an der Decke vermischten, ihr eines Knie hochgezogen, die eine Hand verträumt in der braunen Leistengegend kratzend. Weit hinter ihr führte eine offenstehende Tür auf eine mondüberglänzte Galerie, wie es schien, in Wahrheit aber war es eine verlassene, halb zerstörte weite Empfangshalle mit einer zerborstenen Außenwand, mit Zickzack-Rissen im Fußboden und dem schwarzen Gespenst eines gähnenden Flügels, der wie von selbst mitten in der Nacht spukhafte GHssandos von sich gab. Durch einen großen Spalt in der marmorierten Mauer aus Stein und Stuck donnerte das nackte Meer eintönig heran, zog eintönig seine Platte mit Kieseln zurück, nicht sichtbar zwar, aber hörbar als atmender Raum, abgetrennt von der Zeit, und zusammen mit den bröckelnden Geräuschen drangen träge Böen warmen Windes in die wandlosen Räume und zerpflückten die Schattenspiralen über der Frau und eine Staubflocke, die auf ihren blassen Bauch herniedergeschwebt war, und sogar das Spiegelbild der Kerze in einer zerbrochenen Scheibe des bläulichen Fensters. Darunter, auf einer groben Couch, die im Kreuz kitzelte, ruhte Van, nachdenklich schmollend, nachdenklich den hübschen Kopf auf seiner Brust liebkosend, überflutet von dem schwarzen Haar einer sehr viel jüngeren Schwester oder Cousine der unglücklichen Florinda auf dem zerwühlten Bett. Die Augen des Kindes waren geschlossen, und wann immer er ihre feuchten, gewölbten Lider küßte, änderte sich die rhythmische Bewegung ihrer blinden Brüste oder hörte ganz auf und setzte dann wieder ein.

Er war durstig, doch der Champagner, den er mit den sanft raschelnden Rosen mitgebracht hatte, blieb verschlossen, und er hatte nicht das Herz, den seidigen liet en Kopf von seiner Brust beiseite zu schieben, um an der explosiven Flasche hantieren zu können. Er hatte sie in den letzten zehn Tagen viele Male gestreichelt und gestoßen, war sich aber nicht sicher, ob sie wirklich Adora hieß, wie jeder behauptete - sie und das andere Mädchen und ein drittes {eine Dienerin, Prinzessin Kachurin), die in dem ausgeblichenen Badeanzug zur Welt gekommen zu sein schien, den sie nie wechselte und worin sie zweifellos sterben würde, noch ehe sie die Volljährigkeit oder den ersten wirklich kalten Winter erreicht hätte auf ihrer Luftmatratze, auf der sie jetzt in ihrem Drogennebel stöhnte.  - (ada)

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