ordellbesuch  Träumst du dich als bordellbesucher in cape und zylinderhut, das blitzende einglas im aug, den spazierstock unter die achsel geklemmt, und es empfangen dich wunderhübsche skelette in seide und tüll, unbezahlbare mädchen ein jedes, und man serviert dir ihr einstiges fleisch auf silbernen platten, hier gebratene brüste, da einen zartrosa schenkel und dralle arme und gesottene stückchen vorn bauch mit spargel garniert, verschiedenste arten gegrillter popos, kandierter lippen oder leicht überbackene finger, und unter speiseglocken die leckere fülle verbotenster delikatessen — dann rühre die sachen nicht an, so sehr dich madame auch drängt, nimm deine pistole und schieße nach den gasflammen der fünfzig ampeln im salon, und misse keine von ihnen — so werden sich alle skelette wieder befleischen und die nacht ist für diesmal gerettet.  - (tra)

Bordellbesuch (2)  Die Möbel waren lächerlich klein. Barot ist dick und groß, ich bin dick, wir fanden keine Sitzgelegenheit im eigentlichen Sinn des Wortes; die Möbel waren winzig, als wären sie für Puppen angefertigt. Wir hatten Angst, sie könnten unter uns zusammenbrechen. Unsere kleinen Mädchen sahen unsere Verlegenheit und wurden nun erst recht befangen. Wir wußten einfach nicht, was wir sagen sollten. Zum Glück verfiel Barot auf den Gedanken, vom Garten zu reden.

»Oh! einen Garten haben wir«, sagten sie nicht etwa voll Stolz, sondern eher mit einer leisen Freude, daß sie etwas so Luxuriöses zeigen konnten. Wir gingen mit Kerzen in den Garten hinunter, um ihn in Augenschein zu nehmen. Er war fünfundzwanzig Fuß lang und zehn breit. Barot und ich mußten hellauf lachen. Dort stand das gesamte Haushaltsgerät der armen Mädchen, ihr kleines Waschfaß, ein kleiner Bottich mit einer elliptischen Vorrichtung zum Selbstbrauen ihres Biers.

Ich war gerührt und Barot angewidert. Er sagte auf französisch zu mir: »Geben wir ihnen ihr Geld, und dann drücken wir uns.«

»Es wird ihnen das Herz schwer machen«, wandte ich ein.

»Ach was, das Herz schwer machen! Da kennen Sie diese Geschöpfe schlecht! Sie werden sich andere Kunden besorgen, wenn es nicht schon zu spät ist, oder ihre Liebhaber, wenn es hier so zugeht wie in Frankreich.«

Diese  Wahrheiten  machten  mir  gar  keinen  Eindruck. Ihr Elend, all der kleine Hausrat, der so sauber und so alt war, hatten mich gerührt. Wir hatten noch  nicht einmal unsern Tee getrunken, so war ich bereits  so vertraut, daß ich ihnen in meinem schlechten Englisch unsere Angst beichtete,  wir könnten ermordet werden. Das brachte sie völlig außer Fassung.

»Aber schließlich«, fuhr ich fort, »ist ja der beste Beweis, daß wir euch trauen, die Tatsache, daß ich euch das alles erzähle.«

Wir schickten den Diener weg. Dann gab ich mich wie bei zärtlichen Freundinnen, die ich nach einer jahrelangen Reise wiedersah.

Keine Tür schloß - ein neuer Grund zum Argwohn, als wir zu Bett gingen. Aber was hätten auch Türen und gute Schlösser genützt? Überall hätte man mit einem Faustschlag die dünnen Ziegelwände einschlagen können. Alles konnte man in diesem Hause hören. Barot, der im zweiten Stock im Zimmer über mir war, rief mir zu: »Wenn man Sie ermordet, rufen Sie mich!«  - (ele)

Bordellbesuch (3)  Begalone und Alduccio kamen die vier Stufen schnell  runtergerannt, lachten und stellten sich Madame vor, die sich inzwischen wieder, die Beine schlaff nachschleppend, hinter ihr Pult zurückgezogen hatte. Aber sie verstand absolut keinen Spaß, auch die Bedienstete nicht, die ihr mit langgezogener Flappe wie eine Filzlaus am Hals hing.

»Diese Schwachköpfe«, sagte Madame, die sich von Zeit zu Zeit eines klaren Tonfalls bediente, weil sie sich, da vermögend, für was besseres hielt. »Habter vielleicht stempeln wolln, ohne 'ne Lira rauszurücken? Is ja wohl der Gipfel!«

»Mann, Signò«, sagte Begalone versöhnlich, »wir ham uns doch bloß geirrt.«

»In euern Eiern!« schnaubte sie. Wenn nämlich jemand ihre Geschäftsinteressen berührte, redete sie so ordinär wie die Leute von Trastevere, obwohl sie aus Frosinone kam, und sie streckte drohend ihre Hand nach ihnen aus. Sie holten ihren Personalausweis raus und zeigten ihn vor. Danach traten sie, obwohl sie sich eben noch wie Idioten aufgeführt hatten, mit fröhlichen Gesichtern in den Empfangsraum, der voller Kunden war, die auf den krebsroten Sofas an den Wänden saßen, rauchten und dazu Gesichter machten, als wären sie die Opfer: still und aufgegeilt.

Und da saß sie, auf einem gepolsterten Hocker mitten im Raum, die alte Sizilianerin mit zwei, drei pfefferminzgrünen Moskitonetzen um ihren Bauch und viel, viel Rouge im Gesicht und rauchte eine Zigarette.

Die Anwesenden musterten sie schweigend, und sie, deren Titten bis zum Bauchnabel runterhingen, blickte ihnen voller Wut in die Augen und blies dabei den Rauch in alle Richtungen.

Sobald Alduccio eingetreten war, stellte er sich vor sie hin, kehrte den anderen Kunden den Rücken zu und sagte, indem er ihr mit dem Kopf ein Zeichen gab, durch die Zähne: »Gehnwer.«  - (rag)

Bordellbesuch (4)  Le peintre Auguste Renoir adorait aller au bordel avec ses vieux amis Alphonse Daudet et Claude Monet. Et il racontait : Alphonse les séduisait, Claude les émoustillait et moi j'en profitais!  - N.N.

Bordellbesuch (5)  Es war (in meinem Traum) zwei oder drei Uhr früh, und ich ging allein in den Straßen umher. Ich begegne Castille, der, glaube ich, einige Wege zu machen hatte. Ich sage ihm, daß ich ihn begleiten werde Und den Wagen benutzen möchte, um für mich einen Weg zu machen. Wir nehmen also einen Wagen. Ich betrachte es als eine Pf licht, der Besitzerin eines großen Bordells ein Buch von mir, das eben erschienen war, zu überbringen. Als ich das Buch, das ich in Händen hielt, ansah, zeigte es sich, daß es ein obszönes Buch war, was mir die Notwendigkeit erklärte, das Buch dieser Frau zu schenken. In meinem Innern war diese Notwendigkeit übrigens nur ein Vorwand, um eines der Mädchen dieses Hauses zu . .., woraus sich ergibt, daß ich ohne die Notwendigkeit, das Buch zu überbringen, nicht gewagt hätte, in ein solches Haus zu gehen. Ich sage Castille von all dem nichts, lasse den Wagen vor diesem Hause halten, Castille bleibt im Wagen zurück, und ich nehme mir vor, ihn nicht lange warten zu lassen. Gleich nachdem ich geläutet habe und eingetreten bin, bemerke ich, daß mein . . . durch den offenen Hosenschlitz heraushängt, und ich finde, daß es selbst an einem solchen Orte unanständig wäre, sich so zu zeigen. Zudem spüre ich, daß ich sehr durchnäßte Füße habe, und bemerke, daß meine Füße nackt sind und ich in eine Wasserlache unter der Treppe getreten bin. Ach was! sage ich mir, ich werde sie waschen, bevor ich . .., und bevor ich das Haus verlasse. Ich gehe hinauf. — Von diesem Augenblick an ist von dem Buch keine Rede mehr. Ich befinde mich in ungeheuren ineinandergehenden Sälen, Räumen von traurigem und düsterem Aussehen, wie alte Kaffeehäuser, alte Lesesäle oder gemeine Spielhäuser. Die Mädchen, die in diesen Sälen verstreut sind, sprechen mit Männern, unter denen ich Gymnasiasten bemerke. — Ich fühle mich verstimmt und befangen, ich fürchte, daß man meine Füße sieht. Ich schaue sie an und sehe, daß ich einen Stiefel anhabe. Einige Zeit darauf bemerke ich, daß beide Füße beschuht sind. Es fällt mir auf, daß die Wände dieser ungeheuren Säle mit allen möglichen Zeichnungen in Rahmen geschmückt sind. Nicht alle sind obszön. Es sind sogar architektonische Zeichnungen und auch ägyptische Figuren darunter. Da ich mich immer befangener fühle und keines der Mädchen anzusprechen wage, unterhalte ich mich damit, alle Zeichnungen auf das genaueste zu besehen. In einem rückwärtigen Teile eines dieser Säle entdecke ich eine ganz sonderbare Serie. In einer Menge kleiner Rahmen sehe ich Zeichnungen, Miniaturen und Photographien. Es sind buntfarbige Vögel mit glänzendem Gefieder und lebenden Augen. Bisweilen sind es nur Vogelhälften, Bilder seltsamer Lebewesen, gräßlich, fast formlos wie Meteorsteine. In der Ecke jeder Zeichnung findet sich eine Anmerkung: Das und das Mädchen, soundso alt, hat in dem und dem Jahre diesen Fötus zur Welt gebracht, und mehr Anmerkungen dieser Art.

Ich erwäge, daß derlei Zeichnungen wenig danach angetan sind, Liebesgedanken zu erwecken.

Ein anderer Gedanke ist: Es gibt in der ganzen Welt nur ein einziges Blatt, nämlich den „Siecle", der dumm genug sein könnte, ein Bordell zu eröffnen und darin gleichzeitig eine Art medizinisches Museum unterzubringen. Und plötzlich sage ich mir: Tatsächlich, es ist der „Siecle", der die Gelder zu dieser Spekulation hergegeben hat, und dieses medizinische Museum entspricht ganz seiner Art, Fortschritt, Wissenschaft und Aufklärung zu propagieren. Dann überlege ich, daß die moderne Dummheit ihre geheimnisvolle Nützlichkeit hatund daß dasjenige, was zum Schlechten hätte führen sollen, durch einen geheimnisvollen Mechanismus sich zum Guten wendet. Und ich bewundere bei mir selbst das Treffende meines philosophischen Geistes.

Aber mitten zwischen diesen Abnormitäten gibt es ein Wesen, das lebt. Es ist eine Mißgeburt, die in dem Hause geboren wurde und sich immer auf einem Sockel befindet. Obwohl sie lebt, gehört sie mit zum Museum. Sie ist nicht häßlich, das Gesicht ist sogar ganz hübsch, sehr sonnverbräunt, von orientalischer Färbung, viel Rosa und Grün darin. Sie hält sich zusammengekauert in einer sonderbaren, verdrehten Stellung. Außerdem ist etwas Schwärzliches an ihr, das ihren Körper und ihre Glieder vielfach wie eine Schlange umwindet.  Ich frage sie, was das eigentlich sei?  Sie erklärt mir, daß das ein gräßlicher Fortsatz ist, der von ihrem Kopf ausgeht, etwas Elastisches, wie Kautschuk, und so lang, so unendlich lang, daß, wenn sie es wie einen Haarzopf um ihren Kopf winden wollte, die Schwere nicht zu ertragen wäre, und daß sie deshalb gezwungen ist, diesen Fortsatz um ihre Glieder zu winden, was übrigens auch viel effektvoller sei.

Ich spreche lange mit der Mißgeburt. Sie teilt mir ihre Sorgen und Kümmernisse mit. Seit mehreren Jahren schon ist sie wegen der Neugierde des Publikums genötigt, sich in diesem Saale und auf diesem Sockel aufzuhalten. Das Unangenehmste für sie ist aber, die Abendbrotzeit. Denn da sie ein lebendes Wesen ist, muß sie gemeinsam mit den Mädchen des Hauses soupieren und muß mit diesem furchtbaren kautschukartigen Anhängsel schwankend bis zum Speisesaal gehen, wo sie dann diesen Fortsatz entweder um sich gerollt lassen oder ihn wie ein Paket Stricke auf einen Sessel neben sich zusammenlegen muß; denn lasse sie ihn einfach auf dem Boden nachschleppen, so würde die Schwere ihren Kopf nach hinten reißen. Außerdem muß sie, die kleine, zusammengerollte Mißgeburt, gerade neben einer großen, schön gewachsenen Dirne sitzen. Übrigens gibt sie mir alle diese Erklärungen ohne jede Bitterkeit. Ich wage nicht, sie zu berühren, aber ich interessiere mich für sie.

In diesem Augenblick (das ist kein Traum mehr) macht meine Frau mit einem Möbel ein Geräusch im Zimmer und weckt mich auf. Ich erwache, ermüdet, zerschlagen; Rücken, Beine und Hüften wie zusammengeschnürt.  Ich glaube, ich muß in der verdrehten, zusammengerollten Stellung der Mißgeburt geschlafen haben. - Charles Baudelaire, nach (je)

 

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