Bonzengeilheit    Der ganze Trupp der Bonzen war vollzählig beisammen, und bald tönte das Schwirren der Geistcrkeulen, das Rasseln der Trommeln, das Bimmeln der Glückchen und der murmelnde Singsang der Gebete. Inzwischen lag Goldlotos, weit entfernt von allen Gedanken an Frommheit und .Enthaltsamkeit, bei ihrem Geliebten im Bett und dachte auch, als es schon bald Mittag geworden war, nicht daran, sich vom Lager zu erheben. Nun aber verlangte das Rituell, daß sie als Hauptleidtragende persönlich am Gebetplatz erschien, um Wcihrauchstäbchcn anzustecken, Gebetsformeln zu unterschreiben, Schwurzeugnis abzulegen und dem Buddhabildnis Reverenz zu erweisen. Sie erhob sich also, wusch sich, frisierte sich und trat, in einfache, aber geschmackvolle Trauertracht gehüllt, auf den Gcbetplatz hinaus. Anmutig vollzog sie ihre Verneigungcn vor dem Buddhabild. Als die frommen Klosterbrüder sie gewahrten, da verflüchtigte sich bei ihnen im Nu ihre Buddhaergebenheit und innere Sammlung. Gegen solche Reize waren sie nicht gewappnet, sie verloren jeden Halt, wurden schlapp wie Käse und samt und sonders von einer wahren Affengeilheit und Pferdebrunst befallen.

Der Bande Oberhaupt, zerstreut und toll,
Vergißt, wie er die Gottheit invozieren soll.
Verspricht sich, kann sich kaum mehr sammeln,
Beginnt statt Sutras wirres Zeug zu stammeln.
Und gar die andern völlig außer Rand und Band!
Der Weihrauchschwenker stößt mit täpp'scher Hand
Die Blumenvase um, daß sie zu Boden fällt.
Der Zweite statt der Kerze eine Räucherschale hält.
Der Dritte, der als Eidesformelkünder ausgewählt.
Anstatt vom Reiche Sung vom Reiche Tang erzählt.
Und der vom reuigen Mut des Toten zeugen soll,
Vom Lob der Witwe einzig überquoll.
Der Abt des nächsten Hand besessen packt
Und schlägt mit ihr als Trommclklöppel Takt.
Und ein Novize aller Fassung bar,
Benutzt als Trommel eines Fraters Glatze gar.
Die Würde, die in harter Klosterzucht gewonnen,
In dieser Stunde ist sie jäh zerronnen.
Doch wäre einer tausendmal metallen,
Hier wäre er nicht minder umgefallen.

Nachdem Frau Goldlotos ihre Weihrauchstäbchen abgebrannt, ihre Unterschriften erteilt und ihre Verncigungen vor dem Buddhabild absolviert hatte, zog sie sich in ihre Kammer zurück und kroch flugs wieder zu Hsi Mcn ins Bett, um das unterbrochene Vcrsnüsen fortzusetzen. Daß sie sich dabei allen frommen Karenzvorschriften zum Trotz ungeniert an Wein und knoblauchgewürzter Fleischkost delektierte, versteht sich von selbst. - Kin Ping Meh oder Die abenteuerliche Geschichte von Hsi Men und seinen sechs Frauen. Frankfurt am Main 1970 (zuerst ca. 1610, Wang Schi Tschong zugeschr.)

Geilheit Bonze

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