onhomie
Lebon ist weder lasterhaft wie Barras noch gottlos wie Fouché. Er
ist beinahe ein guter Kerl, der mit seiner Gattin
Mimie in der zärtlichsten Gemeinschaft lebt und
einen wohlgedeckten Tisch über alles liebt. Aber gerade dieser biedermännische
Einschlag macht sein Wüten so entsetzlich. Dies gemütliche, fast patriarchalische
Hinmetzeln unschuldiger Menschen ist schlimmer als Carriers kranke Raserei,
als Fouchés methodische Grausamkeit oder Talliens feierliche Tyrannei. In Arras
und Cambrai lebt dieser Lebon häuslich mit den Richtern, den Geschworenen, den
Gefängniswärtern, ja mit den Henkersknechten zusammen. Die gutgelaunte Mimie
schöpft ihnen die Suppe aus und erkundigt sich nach der Zahl der Hingerichteten
mit den Worten: »Wieviel Kalbsköpfe haben wir heute
abend?« Sie geht ihrem Mann überhaupt tüchtig zur Hand, schlägt ihm Namen von
Verdächtigen vor, berät ihn bei der Aufstellung der Listen, sieht allen Hinrichtungen
vom Balkon aus zu und lädt Bekannte dazu ein, auf den guten Aussichtspunkt hinweisend:
»Von hier aus können wir die Aprikosen fallen sehen.« Lebon gestaltet jede Exekution
zu einem Volksfest, was besagen will, daß Arras und Cambrai aus den Festen acht
Monate lang gar nicht mehr herauskommen. Das Schafott wird weniger abgesperrt
als eingerahmt, und zwar von einer Abteilung Kinder, die mit dreifarbigen Schleifen
geschmückt sind. Die Musik spielt patriotische Stücke, außerdem hat der hausväterliche
Blutmensch dafür gesorgt, daß auf dem Platze Erfrischungen für die Zuschauer
zu haben sind. - Friedrich Sieburg, Robespierre. München 1965 (zuerst 1935)
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