Bombenwerfer  Ich kann bis heute nicht ohne Bewunderung an die Ausdauer und Hingabe denken, die Sillerov und vor allem Vnorovskij in diesen Tagen zeigten. Dem letzteren oblag die schwierigste und verantwortungsvollste Rolle; er mußte an den gefährlichsten Stellen stehen, gerade an denen, wo aller Wahrscheinlichkeit nach Dubasov vorbeikommen mußte. Für ihn stand unwiderruflich fest, daß eben er den Generalgouverneur ermorden werde, und natürlich konnte er keine Zweifel daran haben, daß der Tod Dubasovs unvermeidlich auch sein Tod sein würde. Jeden Morgen am 24., 25. und 26. verabschiedete er sich von mir. Er ergriff die schwere sechspfündige Bombe, die wie Konfekt in ein Papier eingewickelt war, und ging mit seinem leichten Gang zum Bestimmungsort — gewöhnlich auf der Domnikovskij-Straße. Nach etwa zwei Stunden kehrte er wieder genauso ruhig zurück, wie er weggegangen war. Ich hatte die Kaltblütigkeit Svejcers gesehen, kannte die konzentrierte Entschlossenheit Zil'berbergs und war vom kühlen Mut Nazarovs überzeugt, aber dies völlige Fehlen von Getue, die außerordentliche Schlichtheit Boris Vnorovskijs, versetzten mich selbst nach diesen Beispielen in Erstaunen. Einmal fragte ich ihn:

»Sagen Sie, sind Sie nicht müde?«

Er sah mich erstaunt an: »Nein.«

»Aber Sie schlafen doch fast nicht nachts.«

»Nein, ich schlafe.«

»Wo denn?«

»Gestern habe ich in der Ermitage übernachtet.« Er verstummte.

»Aber es ist glatt,« fuhr er nachdenklich fort, »und ich habe keine Galoschen, ich muß aufpassen, daß ich nicht falle.«

»Sie werden schon nicht fallen.«

Er lächelte. »Ich glaube es auch nicht. Aber trotzdem, man hat Angst, daß man doch einmal fällt.«

Er sprach sehr ruhig. Ich stellte mir vor, wie er zwei Stunden lang auf dem glatten Trottoir hin und herlief in Erwartung Dubasovs und fragte ihn noch einmal:

»Und Sie wollen nicht, daß man Sie ersetzt?«

Er lächelte. »Nein, es macht nichts. Nur der Arm wird lahm: man trägt doch die ganze Zeit ein Gewicht.«

Wir schwiegen. »Sagen Sie mal, und wenn Dubasov mit seiner Frau kommt?«

»Dann werde ich die Bombe nicht werfen.«

»Das heißt, Sie werden noch oft auf ihn warten?« »Das ist egal; ich werde sie nicht werfen.«   - Boris Savinkov, Erinnerungen eines Terroristen. Nördlingen 1985 (Die Andere Bibliothek, zuerst 1917/18)

 

Bombe Werfen Attentat

 

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