ö   Um die Bö abzufangen, wurde das Schiff etwas abgehalten. Vor- und Großbramsegel standen noch. Der „Alte" war nicht gewillt, sich am hellichten Tage einschüchtern zu lassen und entschlossen, bis zur letzten Minute die Segel stehen zu lassen. Wir standen und warteten ab, was da kommen sollte. Da jagte aber auch schon mit Regen, Hagel und Schnee die erste Bö heran, die nicht mit sich spaßen ließ. Das war Wind genug, um uns den Atem wegzunehmen. Auch der Zäheste drehte dem Wind den Rücken zu. Das Schiff lag fast platt auf der Seite, Masten und Wanten krachten und knackten.

Die Bramstengen bogen sich wie Gerten. „Gei auf Vor-und Großbramsegel", schrie der Kapitän, und alle Mann sprangen an die Geitaue und Gordings. Das Deck neigte sich fast um 45°. Wild jagte das Schiff durch's Wasser, von sprühendem Gischt eingehüllt. Die Fallen waren losgeworfen, die Raaen heruntergeholt und die Schoten aufgefiert. In wenigen Minuten flatterten die Segel, von Oeitauen und Gordings eingeschnürt. „Festmachen"? fragte der erste Steuermann. „Los Marsfallen vor und achter", schrie der Kapitän so laut er konnte. Die Marsraaen kamen herunter. Die Refftaljen wurden besetzt und ausgeholt, und dann ging es im Luvwant nach oben. Durch den Druck des Windes, durch Hagel und Schnee, der fast horizontal über die See fegte, wurden wir fest gegen das Want gedrückt. Es war schwer dagegen anzukämpfen. Einer nach dem andern kam heraus auf die Raaen. Hier gab es Arbeit. Unsere neuen Segel waren noch nicht lange genug untergeschlagen, um die Steifheit herauszubekommen und die neuen Reffknüttel waren durch den Hagel so steif und hart wie Stahldraht. Da wir nur Blusen anhatten und Strohhüte auf dem Kopf, so waren wir bald durch und durch naß. Von Minute zu Minute wurde es kälter. Die Hände waren ganz verklammt, was unsere Arbeiten unendlich erschwerte. Als das Segel endlich auf die Raa aufgeholt war, mußten wir lange warten bis zu luvward der Stekbolzen geschoren war. Das lag aber nicht an dem Mann auf der Luvnock. Denn dort saß French John. Ein besserer Seemann als er hat niemals auf einer Raa ausgelegt. So lagen wir denn über die Raa gebeugt und schlugen die Hände auf das Segel, um sie warm zu halten. Nach endlos scheinender Zeit wurde ausgesungen „Hol aus in Lee", und wir holten das Reffband steif, um den Leestekbolzen zu scheren. Endlich konnten wir auch die Reffknüttel knoten und das erste Reff war eingesteckt. Gerade wollten wir von der Raa herunter, da hieß es „Zweites Reff einstecken" und dieselbe Arbeit begann noch einmal.  - (dana)

(2)  Am Sonntag, dem 10. August 1628, legte die Wasa zu ihrem ersten (und einzigen) Segeltörn ab. Ziel war die etwa zwanzig Kilometer von Stockholm entfernte Festung Vaxholm. Sonnenschein und eine schwache Brise versprachen eine ruhige Vergnügungstour für die ungefähr 150 Mann Besatzung und die mitfahrenden Ehrengäste. Etliche Ehefrauen der Besatzungsmitglieder waren mit ihren Kindern ebenfalls an Bord. Zunächst wurde das massige Schiff 700 Meter vom Ausrüstungskai vor dem königlichen Schloß ins Hafenbecken hinausgewarpt und setzte dann Segel.

Langsam glitt das mächtige Schiff in Richtung Hafenausfahrt. Eine Windbö ließ die Wasa für einige Sekunden gefährlich krängen, doch richtetete sich der Dreimaster schnell wieder auf. Nach etwa 1200 Metern legte eine weitere Bö das Schiff wieder auf die Seite. Diesmal so stark, daß Wasser durch die offenen Geschützpforten ins Schiffsinnere drang. Die Schlagseite nahm schnell zu, und innerhalb weniger Minuten sank der Stolz der königlichen Flotte vor den Augen der entsetzten Schaulustigen, die zu Tausenden an die Uferhöhen gekommen waren, um ein freudiges Spektakel zu genießen.  - Thies Völker, Lexikon berühmter Schiffe. München 2007

 

Wind

 

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