lutregen Im Frühjahr und im Sommer kann es wohl geschehen, daß man hie und da viel rote Tropfen, wie Regentropfen, noch naß oder vertrocknet auf dem Laub oder auf Gegenständen von hellerer Farbe wahrnimmt, die auf der Erde liegen, z. B. auf Tuch, das zum Bleichen in Grasgärten ausgebreitet wird. Und weil man nicht begreifen kann, woher das kommen mag, und weil man lieber etwas Unglaubliches, als etwas Natürliches glaubt, so faßt man‘s kurz, und sagt, es habe Blut geregnet, und das bedeute Krieg.

Allein, wie nicht alles Schwefel ist, was gelb aussieht, so ist auch nicht alles Blut, was eine rote Farbe hat. Diesmal geht die Sache so zu. Aus einem kleinen Ei, das den Winter über irgendwo an einer Hecke oder an einem Baumzweig klebte, brütet im Frühjahr die Sonnenwärme ein kleines lebendiges Räuplein aus. Nach wenig Wochen, wenn sich die Raupe groß und rund gefressen hat, kriecht sie irgendwo in die Höhe, wenn sie nicht schon oben ist, hängt sich mit dem Hinterteil des Körpers fest, mit dem Kopfe abwärts, streift die Raupenhülle ab, und verwandelt sich in eine eckige Gestalt, die man Puppe nennt, ohne Kopf, ohne Füße und Flügel. Man sieht dem Ding nicht an, was es sein und werden soll. Aber wieder nach kurzer Zeit spaltet sich die Haut, und es kommt etwas mit kleinen zusammengeschrumpften Flügeln und einem dicken unförmlichen Hinterleib hervor, dem man wohl ansieht, daß es gern ein Schmetterling oder Sommervogel werden möchte. Nach wenigen Stunden, wo es stille sitzen bleibt, sind die schönen farbigen Flügel gewachsen und ausgebreitet. Aus dem Hinterleib gehen sechs bis acht rote Tropfen ab, die auf die Erde herabfallen, alsdann ist der Sommervogel gemacht, und flattert leicht und fröhlich in der Luft herum, und von Blume zu Blume. Das kann der liebe Gott, aus einer häßlichen und verachteten Raupe einen schönen und fröhlichen Sommervogel machen. Wo nun ganze Hecken oder Bäume im Frühjahr mit Gespinst überzogen sind, in welchem viele Tausend solcher Eier verborgen sein können, da brütet auch die Sonnenwärme alle auf einmal aus. Alle, die davonkommen, können daher auch, wenn sie reichliche Nahrung haben, zu gleicher Zeit ihre Vollkommenheit erreichen, zu gleicher Zeit sich in Puppen verwandeln, und zu gleicher Zeit als Schmetterlinge wieder aus der Puppe zurückkehren. Wo nun viele dergleichen nahe beisammen sind, da geben sie auch viele rote Tropfen von sich, ehe sie davonfliegen. Hundert in einem Garten können schon 6 — 800 Tropfen geben, und das ist alsdann der eingebildete Blutregen. - (hebel)

Blutregen (2) Eines Morgens - der Regen platschte aus den Himmeln - erhob ich mich. Eine Zeitlang lungerte ich matt im Haus herum, ohne mich für irgendetwas zu interessieren oder einem Ding mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem anderen. Plötzlich bemerkte ich, daß der Fußboden des Hauses rot war - schwarz-rot hier und an allen anderen Stellen braun-rot. Das erstaunte mich, und so richtete ich das Wort an meine Mutter, welche sich gerade vor der Feuerstelle dem Füttern der Schweine widmete.

- Ist es der Fall, gute Frau, sagte ich, daß das Ende der Welt und die Tilgung des Universums für unbestimmte Zeit bei uns Einzug gehalten haben und daß bereits die roten Schauer auf uns niederregnen, wenn die Nacht am finstersten?

- Nein, und das ist keinesfalls der Fall, häßlicher kleiner Schatz! sagte sie, sondern stattdessen vergießt der Alte-Graue-Knabe schon den ganzen Morgen Blut.

- Ich nehme an, daß es seine Nase ist, aus der sich diese Blutkaskade ergossen hat? sagte ich.

- Nein, und auch dies ist nicht der Fall, kleines Kußmaul, sagte sie, sondern stattdessen handelt es sich um tödlich unheilbare Wunden, die er an seinen beiden Füßen hat. Heute morgen hat er hier mit Martin O'Bannassa einen Wettbewerb veranstaltet, um herauszufinden, wer ein großes Stück Fels heben kann. Der arme Martin unterlag, möge Gott alle schützen, so dies hören! weil er den Stein nicht bewegen konnte. Der Alte-Knabe hatte dagegen, wie immer. Glück. Es gelang ihm, den Stein bis zur Höhe seiner Hüfte zu heben, und dadurch gewann er, was immer auf dem Spiel gestanden haben mag.

- Er ist schon immer stark gewesen! sagte ich.

- Doch dann fiel, aufgrund der Menge des Gewichts, der Stein aus seinen Händen und fiel noch dazu unglücklicherweise auf seine beiden Füße, so daß sie barsten und jeder Knochen und jedes Knöchelchen darinnen zerbrochen wurden, steht zu fürchten. Der häßliche Bursche wanderte im Haus auf und ab, nachdem er diese Tat vollbracht, und schrie lange Zeit, doch welche Fortbewegungsmittel er dabei auch immer benutzt haben mag; seine Füße waren es sicher nicht.

- Mir wäre nie eingefallen, sagte ich, daß der Alte-Knabe soviel Blut besitzt.

- Wenn er es je gehabt hat, sagte sie, so hat er es jetzt nicht mehr! - Flann O'Brien, Irischer Lebenslauf. Eine arge Geschichte vom harten Leben. Herausgegeben von Myles na Gopaleen. Aus dem Irischen ins Englische übertragen von Patrick C. Power. Aus dem Englischen ins Deutsche übertragen von Harry Rowohlt. Frankfurt am Main 2003 (st 3503, zuerst 1941)

Regen Aberglaube
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