luse  Fräulein d'Espard befindet sich in einer Art Hysterie, sie strahlt vor Hoffnungslosigkeit und Sehnsucht nach der Ehe, sie rückt ihm auf den Leib und fragt ihn gerade heraus. Er wird ärgerlich auf sie, sie stört ihn im Telephonieren, und er muß wieder anrufen. Im übrigen erwehrt er sich ihrer etwas und sagt, er hätte ja nichts gegen sie, weder in bezug auf ihr Äußeres noch sonst. Alles in allem wollte sie ihn wohl auch gar nicht haben, das würde sie schon sehen -

Sie sieht ein, daß es ihr nichts nützt, und fragt kurz: Haben Sie ein Auto bekommen?

Es kommt gleich! Und nun scheint er ihr ein wenig auf den Zahn fühlen zu wollen: Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber es war doch jedenfalls ein Glück für Sie, daß Sie das Geld, das Erbteil bekamen. Ich wünsche Ihnen von Herzen Glück!

Danke, sagt sie. Sie glauben mir gewiß nicht, das ist ja auch einerlei, aber fühlen Sie hier!

Sie läßt ihn ihre Bluse fühlen, und er ruft aus: Herrgott! Und das tragen Sie alles bei sich? Sie müssen es gleich bei einer Bank einzahlen, sofort. Wieviel ist es?

Oh, jetzt war der Augenblick gekommen. Sie schweigt nicht zu allem, läßt sich nicht alles gefallen. Das sollten Sie nur wissen! antwortet sie. Und plötzlich hat sie gleichsam einen Anfall, es überkommt sie, und sie zischt ihm ins Gesicht: Das möchten Sie gern wissen, wie? Lecken Sie sich den Mund danach! Glauben Sie vielleicht, daß ich Sie geküßt hätte, wenn ich nicht betrunken gewesen wäre? Scheren Sie sich zum Teufel!  - Knut Hamsun, Das letzte Kapitel. München 1977 (zuerst 1923)

Bluse (2)   »Plemenik, Plemenik!«, kam mir die Stimme meiner Tante entgegen. Der Korridor lag feierlich im Halbdunkel, ihre Tür geschmückt mit weißen Blusengirlanden.* Diesmal verschüttete ich nichts. Ich öffnete die Tür und trat ein. Tante Rahab stand vor dem Spiegel. Ihre Bluse war bis knapp über dem Brustansatz aufgeknöpft. Mein Herz begann noch stärker zu schlagen. Ich wusste, dass es heute endlich so weit war: Sie würde mich Anteil nehmen lassen an der ganzen Herrlichkeit ihrer Erscheinung. Ich stellte die Tasse auf den Tisch. Noch war nichts zu sehen, war die Spannung der Bluse so verteilt, dass die halboffene Knopfleiste wie von selbst zusammenhielt. Doch sobald sie sich bewegte, würde wenigstens dieser Spalt aufklaffen, und noch ein Knopf mehr und ... Sie drehte sich zu mir um.

* Man wird an die Beschreibung des von Salomo für die ßundeslade errichteten Tempel erinnert. »Innen war das ganze Haus lauter Zedernholz mit gedrehten Knoten und Blumenwerk, sodass man keinen Stein sah.« 1. Könige 6:18. Gleichzeitig ist die ständige Betonung des Wäscheständers mit den Blusen als Spur im Sinne von Levinas zu lesen. Wie Gott durch seinen geflügelten Thron dargestellt wird, um das Bilderverbot zu umgehen, so wird die Tante durch Blusen auf dem Wäscheständer symbolisiert. Ethan macht sich kein Bild von seiner Tante, er fantasiert sie nicht herbei, sondern er folgt der bildlosen Spur, auf der er hofft, zum Göttlichen zu gelangen, was ihm am Ende, wenn auch anders als vielleicht erwartet, gelingt. Der Thron verweist genauso auf die Leerstelle, die Gott in seiner Abwesenheit in der Schöpfung hinterlässt, wie die Blusen von Ethans Tante auf die Leerstelle verweisen, die ihr Körper hinterlässt. In dieser Spur bewegt sich Ethan, weshalb seine Beweggründe an dieser Stelle noch unverstellt und »rein« sind und erst mit fortschreitender Fixierung und Herausbildung eines Bildes korrumpiert werden. Da die Intention im jüdischen Rechtsverständnis entscheidend ist, wäre er somit als unschuldig zu betrachten, da ihm als unreifen Jungen zusätzlich die Erfahrung fehlt, wie ein in bester Absicht eingeschlagener Weg zum Irrweg werden kann.

- (raf)
 

Kleidungsstück, weibliches

 

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