lumen,
gelbe
»Wir sind eine der gemeinen Blumen aut den Wiesen. Etliche sind gelb an Farbe,
ändere sind blau, andere sind rot. Die gelb an Farbe sind, stinken
einen Gestank. Wir wissen nicht, weshalb es ihr Los ist, da doch andere herrlich
duften. Die einen und die anderen aber fürchten sich, zertreten oder gemäht
zu werden. Solange die Knospen geschlossen sind, sind sie grün, die einen und
die anderen. Und duftlos. Wenn ihre Farbe aufbricht, verbirgt sich nicht länger
der Gestank und der Duft. Das vorher Unentschiedene ist plötzlich entschieden:
was ihnen vorbestimmt war. Und je schöner und größer die Farbe und Form der
Blüte, desto größer ihr Gestank und ihr Duft. Ich bin in diesem Jahre aus dem
Grün aufgebrochen zu einer Farbe. Das ist geschehen. Und es schmerzt mich, weil
ich die Ahnung habe, ich gehöre zu den Gelben. Ich fühle eine Schuld, wiewohl
ich schließen müßte, die gelbe Blüte ist schuldlos. - Hans Henny Jahnn, Perrudja. Frankfurt am Main
1966 (zuerst 1929)
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