Blondinengedanken    Fremde Gedanken quollen in seinen Kopf, Eindringlinge, gegen die er ohnmächtig war.

Die Gedanken stammten von einer Blondine, die sich mit dem Rücken zu Mr. Wooly auf eine nahestehende Bank gesetzt hatte. Sie gehörte zu den Leuten, deren Vorstellungen von Schamhaftigkeit nicht sozusagen halbkugelförmig waren, sondern vielmehr äquatorial. Ihre Gedanken waren schnell und von einzigartiger Direktheit, und sie hatten einen erschreckend herzlosen zynischen Unterton.

»Lieber Gott - seht euch doch die da an! Sollte sich lieber verstekken - wenn meine so hingen, würde ich sie mir in schlichte, geschmackvolle Knoten binden lassen.« Offenbar dachte sie das über eine vorbeikommende Andere, die Mr. Wooly wegen eines Wandvorsprungs nicht sehen konnte. »X-Beine hat sie auch noch«, dachte die Blonde weiter, »aber sie hat einen Mann. Trägt einen Ehering. .. .Männer heiraten einfach alles-Krokodil und Känguruh. Gott, ist mir heiß... und sauber, ich möchte... Wenn ich Bert anrufen würde. .. aber Henry würde es ja gleich wieder so nennen ... Vielleicht kommt er heute nach Hause, vielleicht auch morgen - als Dame weiß man keinen Augenblick, was man sich erlauben kann. Natürlich könnte ich zu Bert in die Wohnung gehen ... aber der Pförtner dort, und die Leute, die vorbeikommen ... zu riskant... Aber ich wünschte, ich könnte. Ich werde Henry Lammkeule machen, mit Kartoffelbrei und irgendeinem rosa Pudding; er mag zwar Lamm überhaupt nicht, aber das ist unvernünftig... es gehört sich nicht, kein Lamm zu mögen, für niemanden. Immerhin besser als gar kein Ehemann. So schlecht hab ich's gar nicht getroffen - macht hundertfünfundzwanzig Dollar die Woche - keine Ahnung wie. Was ist nur los mit den Geschäftsleuten ? Sie stellen einen Volltrottel wie ihn ein und zahlen ihm echtes Geld; ich könnte das nie schaffen, also gibt es Lamm, und du wirst es schön essen, Henry... Wenn er nur nicht soviel quasseln und wenn er nur in seinem eigenen Bett schlafen würde!... Lieber Gott, was der Mann sich unter Liebe vorstellt! Manchmal kann ich mich kaum bremsen, ihm von Bert zu erzählen, und dabei hab ich immer gedacht, wenn's ein Mann ist, ist's ein Mann - als ob sie nicht so verschieden wären wie Tag und Nacht. Sechs von einer Sorte ist wie ein halbes Dutzend von der anderen? Von wegen. Ein ganzes Dutzend, und es ist auch die Persönlichkeit. Was Henry wohl denken würde, wenn er wüßte, daß ich's mit Richter Bert Gilead habe, und dafür, daß Henry so blind ist, daß er eine Frau wie mich mutterseelenallein herumhocken läßt, sollte man ihm sechs Monate Knast aufbrummen, und Bert gibt ihm sowieso einen Monat, weil er zu schnell gefahren ist. Was wir in einem Monat nicht alles anstellen können! Nennt mich immer >Honigschneck<, und dabei hat er einen Bart wie der ganze Bundesgerichtshof persönlich oder wie ein General oder ich sag lieber nicht, wie was ... so kraus. Diese Ziege, die wir unterwegs gesehen haben, erinnerte mich an Bert. Seit ich ihn kennengelernt habe, finde ich überhaupt alle Ziegen sympathisch, vermutlich auf Dauer... «     - Thorne Smith (mit Norman Matson), Meine Frau, die Hexe. Frankfurt am Main 1989 (zuerst 1941)

Blondine Gedanken, weibliche


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