Blick von oben    Ich blickte auf eine seltsame und unverständliche Welt, eine so weit von mir abgerückte Welt, daß ich das Gefühl hatte, auf einen anderen Planeten zu gehören. Einmal blickte ich nachts von der Spitze des Empire State Building auf die Stadt hinunter, die ich von unten kannte: da waren sie, in ihrer richtigen Größe, die menschlichen Ameisen, mit denen ich umhergekrochen war, die menschlichen Läuse, mit denen ich gekämpft hatte. Sie bewegten sich im Schneckentempo, und jede erfüllte dabei zweifellos ihr mikrokosmisches Schicksal. In ihrer fruchtlosen Verzweiflung hatten sie dieses kolossale Gebäude errichtet, auf das sie stolz waren und mit dem sie prahlten. Und im obersten Geschoß dieses Kolossalgebäudes hingen von der Decke eine Reihe Käfige herab, in denen die eingesperrten Kanarienvögel ihr sinnloses Getriller trillerten. Auf dem Gipfel ihres Ehrgeizes trillerten diese winzigen Kreaturen ums liebe Leben. Vielleicht, dachte ich mir, würde man in hundert Jahren lebende Menschen in Käfige sperren, fröhliche Irre, die von der kommenden Welt singen würden. Vielleicht würden sie eine Rasse von Trillerern züchten, die trillern würden, während die anderen arbeiteten. Vielleicht würde man in jeden Käfig einen Dichter oder Musiker stecken, so daß das Leben unten unbehindert, eins mit dem Stein, eins mit dem Wald, dahinströmen könnte, ein wogendes, ächzendes Chaos von Null- und Nichtigkeit. Mag sein, daß in tausend Jahren alle verrückt waren, Arbeiter wie Dichter, und alles wieder in Trümmer fiel, wie schon so oft und oft zuvor.   - (wendek)

Blick von oben (2)    Ich habe mir oft gedacht: wenn ein glüklicheres höheres Wesen aus seinem Freuden-Tanzsaal herein sähe auf diese zitternde umschattete Erde, auf uns Arme — wenn es sähe wie uns der geschwolne Todenhügel einsaugt (wie die Erde von eingesogenen Todten schwilt) — ach wenn es die gezähnten Schmerzen sähe, die vor uns gehen und nach uns gehen, und die Freude, die äffend (sich unsichtbar) um uns fliegt — ach wenn es euch liegende Menschen sähe, vom Krankenbette verwundet, p. — so müste dieses Wesen mit gefültem  Auge, wenn keine Unsterblichkeit wäre, sich umwenden und aufsehen und knieen: Got! ziehe (hebe) diese zerrissenen durchstochenen Schatten Herzen aus ihren Gräbern und gieb ihnen unsern Himmel, schliesse das (diese) zerflossenen Menschen Augen wieder auf und umhülle (fülle) sie mit der Freudenthräne und richte das liegende Gerippe in die Höhe.   - (idg)

Blick von oben (3)  Ein Stock tiefer und irgendwie nebenan stand Ada, in die Aussicht versunken.

Er sah ihren bronzenen Pagenkopf, ihren weißen Hals und ihre weißen Arme, die blassen Blumen auf ihrem duftigen Peignoir, ihre bloßen Beine, ihre hochhackigen silbernen Pantoffelchen. Nachdenklich, jugendlich, wollüstig kratzte sie sich den Schenkel unterhalb der rechten Gesäßbacke: Ladores rosa Unterschrift auf Pergament bei Mücken-Dämmerung. Würde sie hochblicken? All ihre Blumen wandten sich ihm zu, strahlend, und mit königlich-gewährend er Geste hob sie die Berge, den Nebel und den See mit drei Schwänen auf und bot sie ihm dar.

Er verließ den Balkon und rannte eine kurze Wendeltreppe zum vierten Stock hinunter. In seiner Magengrube hockte der Verdacht, daß es nicht Zimmer 410 sein könnte, wie er mutmaßte, sondern 412 oder sogar 414. Was geschähe, wenn sie nicht verstanden hätte, nicht auf Ausschau gewesen wäre? Sie hatte, sie war.  - (ada)

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