lick, mitleidiger In der Haustür sah ich vorüberziehenden Soldatenhaufen nach. Matt schleppten sie die Füße. Manche hinkten. Stumm, jeder für sich, so trotteten sie ohne Tritt dahin, stadtwärts. Die Gesichter stoppelig und eingefallen, auf dem Rücken schweres Gepäck.
»Was ist los?« rufe ich hinüber. »Wo geht's hin?«
Keiner antwortet. Einer murrt Unverständliches. Einer spricht deutlich vor sich hin: »Führer befiehl - wir folgen dir in den Tod.«
All diese Gestalten sind so armselig, so gar keine Männer mehr. Man kann
sie nur bemitleiden. Man erhofft oder erwartet auch gar nichts mehr von ihnen.
Schon jetzt wirken sie geschlagen und gefangen. An uns, die wir am Bordstein
stehen, schauen sie stumpf und blicklos vorbei. Offenbar sind wir, wir Volk
oder Zivilisten oder Berliner oder was wir sind, ihnen gleichgültig, ja lästig.
Daß sie sich ihrer äußeren Herabgekommenheit schämen, glaub ich nicht. Die sind
zu stumpf und müde dazu. Abgekämpft. Ich mag gar nicht mehr hinsehen. - Anonyma, Eine Frau in Berlin. Tagebuch-Aufzeichnungen
vom 20. April bis 22. Juni 1945. Berlin 2005 (zuerst 1954)
Blick, mitleidiger (2)
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