Blick, fremder  Der seltsame Blick, der auf den Dingen ruht, dieser Blick eines Menschen, der nicht wiedererkennt, der außerhalb dieser Welt steht, als ein Auge, das sich Grenze ist zwischen Sein und Nichtsein — er gehört dem Denker. Und es ist auch der Blick eines Sterbenden, eines Menschen, der nichts mehr wiedererkennt. Darin ist der Denkende ein Sterbender, oder ein freiwilliger Lazarus. So freiwillig allerdings nicht...  - (pval)

Blick, fremder (2)

Blick, fremder (3)   Zuerst überraschte es ihn, daß er nicht ebenfalls angeschaut wurde. Er mußte doch hier jedem Menschen auffallen: sein bester Reservations-Filzhut mit dem silbernen Band, seine beste Lederjacke, seine besten Stiefel, sein hageres, wettergegerbtes, einfaches Navajo-Gesicht. Aber die einzigen Blicke, die er auffing, wanderten rasch und verstohlen weiter. Er wurde höflich ignoriert. Das fand Chee komisch.

Und es gab noch andere komische Dinge. Er hatte angenommen, die U-Bahn werde von der arbeitenden Klasse benutzt. Zwar gab es auch Arbeiter hier, doch waren sie nicht allein. Er entdeckte drei Männer und eine Frau in Marineuniformen, die genügend Streifen an den Ärmetn trugen, um ihre Mitgliedschaft in der privilegierten Klasse zu signalieren. Da sie schon in jungen Jahren hohe Ränge einnahmen, mußten sie Absolventen der Marinehochschule sein. Sicher hatten sie politische Beziehungen und kamen aus alten, reichen Familien. Mindestens die Hälfte der weißen Männer, und ungefähr ebenso viele Schwarze, trugen den unvermeidlichen dunklen Dreiteiler mit dunkler Krawatte des Ostküsten-Establishments. Die Frauen trugen zum größten Teil Röcke und hochhackige Schuhe. Während seines Anthropologie-Studiums an der Universität von New Mexico hatte Chee auch Kurse in Soziologie besucht. Er erinnerte sich an eine Vorlesung über jene Faktoren, die die Menschen konditionieren und dadurch kulturbildend wirken. Er fühlte eine Distanz zwischen sich und der Menschenmasse hier in der U-Bahn, als sei er ein unsichtbares Wesen, das auf eine Spezies herabblickte, die es im Laufe der Evolution geschafft hatte, Überbevölkerung zu überleben, Aggression zu ertragen - zu überleben trotz des Phänomens, das der alte Professor Ebaar »intraspezielle Hostilität« nannte.  - Tony Hillerman, Die sprechende Maske. Reinbek bei Hamburg 2001

 

Blick Fremdheit

 

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