ittbrief  Ich habe bisher gefunden, daß es mir nicht möglich ist, bei ganz unabhängiger Beschäftigung eine ganz unabhängige Existenz zu gewinnen.

Ich habe deswegen, nur selten unterbrochen, meist als Erzieher gelebt und habe, indes ich doch großenteils meine Pflicht tat, die Unzufriedenheit anderer, wenn ich zu ungeschickt, oder ihr drückend Mitleiden, wenn ich einmal geschickt schien, in hohem Grade erfahren. Sehr oft, Verehrungswürdigster! dankt ich in solchen Lagen Ihnen im Innersten, daß Sie mir eine Freude gegeben hatten in Ihrem Umgang, die noch keine böse Stunde auslöschen konnte in mir. Aber doch war mir allmählich die Geduld zur Leidenschaft geworden, und ich nahm, in zweifelnden Fällen, immer lieber die Richtung dahin, wo es wahrscheinlicher war, daß ich die eigentlichem Zwecke meines Lebens einem fremden Dienste opfern mußte. Nun finde ich und sehe ziemlich klar darüber, daß man wohl eine Auskunft treffen kann, wenn es versagt ist, der nächsten Bestimmung zu leben, da aber eine falsche Resignation so gut ein schlimmes Ende nehmen muß wie allzugroße Unklugheit. Dies fällt mir jetzt mehr als sonst auf, da ich, ohne andere Dazwischenkunft, genötiget bin, in einigen Wochen als Vikar zu einem Landprediger zu gehn. Es ist nicht, als ob ich nicht auch dieser Sphäre ihren möglichen Wert und ihre Freude gönnte. Aber ich sehe, daß die Beschäftigung und ganze Manier, die einmal zur Bedingung geworden ist in dieser Lage, doch zu sehr mit meiner Äußerungsart kontrastiert, als daß ich über diesem Widerspruche nicht am Ende alle Mitteilungsgabe verlieren müßte. - Hölderlin an Schiller

 

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