is   Für den Begriff »bis« geht dem Österreicher jedes Gefühl ab. Daß »bis« nicht das Ziel, sondern den Weg bezeichnet, sieht er nicht. »Ich werde warten, bis du kommst«, würde er, wenn ihn hier nicht der Sinn den Weg führte, so deuten: Wenn du gekommen sein wirst, werde ich warten. Das »bis« eröffnet ihm eine Handlung, anstatt sie abzuschließen. Der Krug geht bei ihm erst zum Brunnen, wenn er gebrochen ist, was freilich durchaus seiner Lebensanschauung entspricht. Er ist dem Begriff »bis« so lange nicht gewachsen, bis dieser sich ihm in einer Negativ-Konstruktion darbietet, kann sich aber selbst da nur helfen, indem er auch den bis-Satz. mit der Negation versperrt. Hier versteht er, daß eine Zeitstrecke vorzustellen ist, innerhalb deren etwas nicht geschieht. Er erfaßt nun wohl das demonstrative »so lange« im Hauptsatz, kann sich aber das »bis« nur als das relative »solange« (in einem Wort) vorstellen: als Begleithandlung, nicht als Ergebnis. Daß der Krug so lange zum Brunnen geht, bis etwas Positives eintritt, muß er für falsch halten. Denn im Positiven bedeutet »bis« für ihn ein »wenn« oder »sobald«, während er es sonst als ein »solange nicht« auffaßt. Er weiß also nicht, was es bedeutet, bis ich ihn nicht darüber aufkläre. Und wenn man ihm das »nicht« nimmt, würde er es so denken: er wisse nicht, was es bedeutet, sobald ich ihn darüber aufkläre. Und da hätte er natürlich recht. - Karl Kraus, Die Sprache. München 1962 (zuerst 1937)
 
 

Ziel Weg

 

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