iodiversität »Auch der eifrigste Lobredner der Biodiversität gerät ins Stottern, wenn es um Stechmücken, Wanzen und Zecken geht. Das gilt auch für die menschliche Vielfalt von Naturbegabungen, zu denen die Dummheit gehört. Ihre Varietäten sind so zahlreich wie die der Lilien, nur nicht so gut erforscht. Darf ich Sie auf eine von ihnen, die gewöhnlich unterschätzt wird, aufmerksam machen?«
Von der flächendeckenden Dummheit gelte es, sagte Z., die punktuelle zu unterscheiden.
Einen Naturdeppen einzuschätzen falie leicht. Beklemmender werde einem zumute,
wenn ein kluger Mensch sich unversehens als Idiot erweise. Da sei guter Rat
teuer. Keine Leuchte der Wissenschaft, kein angesehener Philosoph, kein berühmter
Dichter, der dagegen gefeit wäre, plötzlich blödsinnige Reden zu führen. Ein
Beispiel sei die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, zweifellos eine intelligente
Frau, die sich zu der idiotischen Behauptung verstiegen habe, »wenn der Euro
scheitert, scheitert Europa«. Mag sein, denke er, daß sie sich selber an den
Kopf greifen wird, sobald sie wieder zur Besinnung kommt. Mit alldem wolle er
nur sagen, daß unsere Intelligenz sich stets auf dünnem Eis bewege. Ein unmerkliches
Stolpern, und wir brächen ein und versänken in den Fluten der Idiotie. Der müßige
Zuschauer bei solchen Zwischenfällen tue, schon in seinem eigenen Interesse,
gut daran, solche Fehlleistungen des Gehirns mit dem Mantel der Fernstenliebe
zu bedecken. - Hans Magnus Enzensberger, Herrn Zetts Betrachtungen
oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern. Berlin 2014
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