ildsamkeit   Seit jeher war ich bedroht von Lähmungen: Den Zusammenhang zu verlieren, worauf die Erde sich fortbewegte, ohne daß ich noch dabei war, geschlagen, statt mit den mir willkommenen Begriffsstutzigkeiten, mit etwas wie einer Bild-Stutzigkeit, für die es in der Kindheitsgegend den Ausdruck »In den Narrenkasten schauen« gab, lustig nur für die, welche einem dabei zusahen. Inzwischen versuche ich, dem vorzubeugen mit einem Spruch des alten Goethe: Wir hätten uns lebendig und bildsam zu erhalten, nach dem Beispiel, mit dem die Natur uns vorgehe. Und entsprechend scheint mir, das Jahrzehnt des Umgangs mit dem Kind habe mich auf dieses »bildsam« gebracht — ein Wort, das ich jetzt erstmals hinschreibe, obwohl es mich seit dem Beginn dieser Unternehmung begleitet und mir überhaupt weit im voraus deren Richtung anzeigte; ein Zweisilber, ungebräuchlich, der mich auf den Weg für ein ganzes Buch gebracht hat.

Bildsam, erfuhr ich, konnte ein Kind, in ähnlicher Weise wie die Natur, machen schon allein mit seiner Art, einem vor den Augen zu sein, wahrzunehmen ohne Goethes Mikroskop oder Lupe, zum Beispiel eben mit seinem Scheitelwirbel, von welchem es weiterging zum Farn, zur Tür, zu den Kieseln, zu dem rostigen Schlüssel.  - Peter Handke, Mein Jahr in der Niemandsbucht. Frankfurt am Main 1994

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