ierernst
Die Wohlanständigkeit gilt für das gesamte gesellschaftliche Verhalten, die
Pornographie ist beispielsweise kein Ghetto, sondern
völlig in diese Gesellschaft integriert, in der man, ohne auf Zusammenhänge
zu achten, einfach vom König zu den nackten Weibern
übergeht; Penisse aus Gummi zu verkaufen ist ebenso ehrenwert wie Antiquitäten
zu verkaufen, obschon man für diese im allgemeinen nirgends den rechten Platz
finden kann. Nebenbei möchte ich bemerken, daß man heute, im Vergleich zu vor
ein paar Jahren, den Eindruck hat, als suchten die Pornographen hartnäckig nach
neuen Wegen: in Alben gibt es Lolitas - von denen einige urinieren -, mythologischen,
diffizilen Geschlechtsverkehr mit Pferden, Orgien in
historischen Kostümen und zarte kleine farbige Mädchen zu bewundern; in die
Enge getrieben, mögen die Pornographen in der nächsten Phase zeigen, wie sich
katholische Erzbischöfe an genossenschaftlich organisierten, wiedertäuferischen
Flechten aufgeilen und wie Lucia Mondella als D'Artagnan verkleidet von dreigeschlechtigen,
vom Orion kommenden Schimmelpilzen vergewaltigt
wird. Wie gesagt, man treibt in Schweden einen abnormen
Aufwand mit Wohlanständigkeit und Etikette: ein bierernstes Gefühl als schützende
Hülle, ein bierernstes Spiel von Leuten, die stets einen Block bilden.
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Manganelli furioso. Handbuch für unnütze Leidenschaften. Berlin 1985