ienenkönig Während der Schwarmzeit mußten wir uns vorsehen. Die Immen sind dann reizbar und empfindlich gegen verschiedene Gerüche wie gegen den von warmgerittenen Pferden oder von Menschen, die gezecht haben.
Eines Tages frühstückten wir in einem Obstgarten. Es muß ein festlicher Anlaß gewesen sein, vielleicht ein Geburtstag, denn es standen bereits Wein und Bärenfang auf dem Tisch. Ein Rausch am Morgen hat seinen besonderen Reiz. Wir kamen vom Reiten und waren bald gehörig in Fahrt. Wittgrewe war auch dabei. Die Luft war köstlich, vom Duft zahlloser Blüten erfüllt. Geschäftig summten die Bienen hin und her. Wir bemerkten bald, daß sie weniger friedlich waren als gewöhnlich und daß bald dieser, bald jener der aufgeräumten Runde einen Stich bekam.
In diesem Alter gibt alles Anlaß zu einem Scherz. Wir beschlossen abzuwarten,
wer Bienenkönig würde: wer die meisten Stiche erwischte, dem sollte die Begleichung
der Zeche anheimfallen. Da schon allerhand auf dem Tisch stand, saßen wir nun
still wie die Puppen und hoben nur ganz langsam das Glas zum Mund. Trotzdem
setzten die Immen ihre Angriffe fort. Bald wurde der eine von einem Tierchen,
das sich in seinen Haaren verfangen hatte, in die Stirn gestochen, bald fuhr
ein anderer mit der Hand an seinen Kragen, bald trug ein dritter ein feuerrotes
Ohr davon. Wir brachen ab, nachdem ein dicker, rothaariger Futtermeister, der
schon gehörig schwitzte, zwölf Stiche abbekommen hatte und kaum mehr zu erkennen
war. Sein Kopf sah wie ein semmelblonder Kürbis aus, beängstigend. - Ernst Jünger, Gläserne Bienen, nach:
E. J., Ausgewählte Erzählungen. Stuttgart 1985 (zuerst 1957)
Bienenkönig (2) Die Schriftsteller
sind nicht einig, ob nämlich der König allein keinen Stachel
besitze und bloß mit seinem königlichen Ansehen bewaffnet sei, ob ihm die Natur
zwar einen gegeben, aber den Gebrauch desselben versagt habe. Man weiß wenigstens,
daß er sich des Stachels nicht bedient. Bewunderungswürdig ist der Gehorsam,
den das Volk ihm erweist. Wenn er aus dem Stocke geht, begleitet ihn der ganze
Haufe, hängt sich kugelförmig um ihn herum, schützt ihn und läßt ihn nicht sehen.
Während der übrigen Zeit, wenn das Volk beschäftigt ist, besucht er im Innern
die einzelnen Arbeiten gleich einem Aufmunternden, tut aber selbst nichts weiter.
Um ihn sind einige Trabanten und Lictoren, die beständig sein Ansehen bewachen.
Er kommt nicht eher heraus, bis der ganze Schwarm im Begriff ist, den Stock
zu verlassen. Dies kann man lange vorher merken, indem einige Tage hindurch
ein starkes Summen im Stocke stattfindet, ein Zeichen, daß sie zum Ausziehen
bereit sind und nur einen passenden Tag abwarten. Wenn man dem Könige
einen Flügel abschneidet, geht
der Schwärm nicht fort. Wenn sie aber ausgezogen sind, so wünscht
jede ihm am nächsten zu sein und in ihrem Dienste von ihm bemerkt zu werden.
Ist er ermüdet, so unterstützen sie ihn mit ihren Schultern, und fühlt er sich
noch mehr ermattet, so tragen sie ihn ganz. Wenn eine ermüdete nicht mitkommen
kann oder sich verirrt hat, so folgt sie dem Gerüche. Überall, wo der König
sich niedersetzt, schlagen sie alle ihr Lager auf. - (
pli
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