eziehungsmodell
Gemäß dem in meinen Jugendjahren vorherrschenden Beziehungsmodell
(und nichts deutete daraufhin, dass die Dinge sich grundlegend geändert hatten)
waren die jungen Leute nach einer kurzen Phase des sexuellen Vagabundierens,
wie es der Vorpubertät entsprach, dazu angehalten, exklusive Beziehungen einzugehen,
die sich durch strikte Monogamie sowie durch Aktivitäten nicht rein sexueller,
sondern auch sozialer Art (Ausgehen am Abend, gemeinsam verbrachte Wochenenden
und Ferien) auszeichneten. Dennoch hatten diese Beziehungen nichts Verbindliches,
sondern wurden als Ausbildung in Sachen Liebe verstanden, sie waren gewissermaßen
Praktika (die sich auch im beruflichen Rahmen zu etablieren begannen, sozusagen
als Bedingung für die erste Stelle). Liebesbeziehungen von schwankender Dauer
(die Dauer eines Jahres, die ich bei mir beobachtet hatte, galt als akzeptabel)
und in schwankender Anzahl (zehn bis zwanzig schienen ein vernünftiger Durchschnitt
zu sein) sollten aufeinander folgen, bevor sie zum krönenden Abschluss in die
allerletzte Beziehung mündeten, die dieses Mal einen eheähnlichen und endgültigen
Charakter haben würde und durch die Zeugung von Kindern zur Gründung einer Familie
führen sollte. - Michel Houellebecq, Die Unterwerfung. Köln 2015
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