Bewußtseinslicht    Des Menschen Seele ist durch seinen ganzen Leib ergossen, alsbald zerfällt er, wenn sie von ihm weicht; doch ihr Bewußtseinslicht ist bald hier bald da. Nur eben sahen wir's im engen Leibe hin und wieder wandern, wechselnd dem Äug', dem Ohr, dem innern und dem äußern Sinn zu leuchten, um endlich im Tod ganz darüber hinaus zu wandern, wie der, dessen kleines Haus zerstört wird, worin er lange hin- und hergegangen, auf immer in die Weite zieht, und eine neue Wanderung beginnt. Der Tod setzt keine andere Scheide zwischen beiden Leben, als daß er den engen Schauplatz der Wanderung mit dem weiteren vertauschen läßt. Und so wenig in dem jetzigen Leben das Bewußtseinslicht immer und überall zugleich ist, wo es nacheinander sein und wohin es sich zerstreuen kann, wird es im künftigen Leben sein. Der Schauplatz der Wanderung ist nur unsäglich größer, die mögliche Verbreitung weiter, die Wege freier und die Aussichtspunkte höher, alle niederen des Diesseits unter sich begreifend.

Selbst schon im jetzigen Leben aber sehen wir ausnahmsweise, in seltenen Fällen, das Bewußtseinslicht aus dem engeren Leibe in den weiteren wandern und wieder heimkehren, Nachricht bringend von dem, was in fernem Raum oder, in dessen weiten Zusammenhängen wurzelnd, in ferner Zeit geschieht; denn die Länge der Zukunft fußt auf der Breite der Gegenwart. Plötzlich öffnet sich eine Spalte in der sonst immer verschlossenen Tür zwischen Diesseits und Jenseits, um schnell sich wieder zu schließen, der Tür, die im Tod sich ganz öffnen wird, und erst da sich öffnen soll, um nie mehr sich zu schließen. Auch frommt's nicht, vorher durch die Spalte nur zu schauen. Doch die Ausnahme von der diesseitigen Lebensregel ist nur ein Fall der größeren Lebensregel, welche Diesseits und Jenseits zugleich umfaßt.

Es kommt vor, daß der engere Leib nach einer Seite tief genug einschläft, um nach anderer über seine Grenzen hinaus in ungewohnter Weise zu erwachen, und doch nicht so ganz und tief, um nie mehr zu erwachen. Oder im weiteren Leibe wird ein Punkt so ungewöhnlich stark erregt, um in den engeren hinein eine die Schwelle übersteigende Wirkung aus einer sonst unzugänglichen Ferne zu erstrecken. Damit beginnen die Wunder des Hellgesichts, der Ahnungen, der vorbedeutenden Träume; lauter Fabeln, wenn der jenseitige Leib und das jenseitige Leben Fabeln sind; sonst Zeichen des einen und Vorzeichen des andern; was aber Zeichen hat, ist da, und was Vorzeichen hat, wird kommen.   - Gustav Theodor Fechner, Das Büchlein vom Leben nach dem Tode. In: G. T. F., Das unendliche Leben. München 1984 (zuerst 1848)

Bewußtsein Licht

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