eutelschneider  Infolge des ungebundenen Lebens, das sie führen, und aus verschiedenen anderen Gründen, die nicht erwähnt zu werden brauchen, haben die Matrosen als Klasse für sich die großzügigsten Ansichten über die Moral und die Zehn Gebote, oder vielmehr, sie bilden sich in diesen Dingen ihre eigenen Ansichten und kümmern sich nur wenig um die theologischen oder ethischen Auslegungen dessen, was Verbrechen oder Unrecht ist.

Ihre Vorstellungen werden sehr von den Umständen beeinflußt. Jemandem, den sie nicht mögen, werden sie heimtückischerweise etwas wegnehmen und darauf bestehen, daß in diesem Falle Stehlen nicht Berauben ist. Oder wenn der Diebstahl einen Schabernack darstellen soll wie in dem Fall der weißen Jacke, so stehlen sie nur um des Spaßes willen, aber trotzdem ist dabei zu beachten, daß sie niemals den Spaß verderben, indem sie das gestohlene Stück zurückgeben.

So ist es ein guter Scherz und einer, der an Bord sehr beliebt ist, in einer dunklen Nachtwache plaudernd bei einem Mann zu stehen und ihm währenddessen die Knöpfe vom Rock abzuschneiden. Sind sie einmal weg, so wachsen solche Knöpfe nicht wieder nach. Bei Knöpfen gibt es keine wild treibende Vegetation.

Vielleicht ist das unvermeidbar, aber es ist Tatsache, daß sich in der Besatzung eines Kriegsschiffes allzu oft Dutzende von gestrandeten Existenzen befinden, die vor den größten Abscheulichkeiten nicht zurückschrecken. Eine Art Straßenraub ist ihnen nichts Fremdes. Eine Bande erfährt, daß ein Bursche drei oder vier Goldstücke in der „Affenbeutel" genannten Geldtasche hat, wie sie viele Teerjacken versteckt um ihren Hals tragen. Darauf begründen sie ihren wohlüberlegten Plan und machen sich zur gegebenen Zeit daran, ihn auszuführen. Vielleicht geht der Mann, auf den sie es abgesehen haben, gerade über das nachtdunkle Zwischendeck zu seinem Meßkasten. Dort brechen die Wegelagerer plötzlich aus ihrem Versteck hervor, schlagen ihn nieder, während zwei oder drei ihn knebeln und festhalten, schneidet ihm ein anderer den Beutel vom Halse und verschwindet, gefolgt von seinen Kumpanen. Das geschah auf der „Neversink" mehr als einmal.

Ein andermal, wenn sie hören, daß ein Matrose etwas Wertvolles in seiner Hängematte versteckt hat, schlitzen sie diese, während er schläft, von unten auf und machen die Vermutung zur Gewißheit.   - (weiss)

Beutelschneider (2)    Es war gegenüber dem Warenhaus Samaritaine. Er stieg die Treppe der Metro hinauf. Genau vor ihm schnitt ein Kerl im steifen Hut mit einer hastigen Bewegung die Schnur des Beutels einer alten Dame durch. Maigret stürzte sich auf ihn, bemächtigte sich des Beutels, der aus schwarzem Samt war, und versuchte den Mann festzuhalten, der zu brüllen begann: »Haltet den Dieb!«

Und es war Maigret, über den die Menge herfiel, wahrend der Mann im steifen Hut sich still und leise davonmachte. - Georges Simenon, Maigrets erste Untersuchung. München 1977 (Heyne Simenon-Kriminalromane 64, zuerst 1951)

Aufschlitzen Mannschaft Beutel

 

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