Nach Mildreds Meinung war das kein schlechtes Leben; falls man sie befragt
hätte, hätte sie in ihrer ernsthaften Art geantwortet: »Es ist interessant.«
Mildred lachte nie, sie lächelte höchstens, wenn sie höflich sein wollte. Sie
war etwa 1,60 groß, fast blond, ziemlich schlank und hatte ein angenehm leeres
Gesicht und große blaue Augen, die immer weit geöffnet waren. Sie schlich mehr
als sie ging, mit krummem Rücken und vorgeschobenen Hüften
- irgendwo hatte sie gelesen, die besten Mannequins
hätten so einen Gang an sich. Sie wirkte dadurch matt
und friedfertig. Etwas lebendiger war sie im Bett, und diese Tatsache ging von
Mund zu Mund oder verbreitete sich - zwischen Männern, die nicht die gleiche
Sprache sprachen - durch kleine Gesten mit dem Kopf oder durch winziges Lächeln.
Mildred verstand etwas von ihrem Job, das mußte man ihr lassen, und sie widmete
sich ihm mit großem Eifer. - Patricia Highsmith, Kleine Geschichten für
Weiberfeind
e. Eine weibliche
Typenlehre
in siebzehn
Beispiel
en. Mit siebzehn Zeichnungen von Roland Topor.
Zürich 1979 (detebe 20349)
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