ettgespräch   Gina redete im Bett mit mir sowohl wie eine Heilige, als auch wie eine Hure. Sie schrie so laut, daß ich fürchtete, die Nachbarn könnten angelaufen kommen. Sie sang, weinte, zitierte Passagen aus dem Hohen Lied, nannte sich selbst Rahab, die Hure. Rahab hatte die beiden Spione gerettet, die Josua, der Sohn des Nun, ausgesandt hatte nach Jericho, und sie hatten in ihren Armen gelegen. Ich Itschele, war einer von ihnen. In anderen Reinkarnationen war ich Abraham und sie Hagar, ich Reuben und sie Bilha, ich Boas und sie Ruth, ich David und sie Bathseba. Sie flüsterte mir Geheimnisse zu und leckte mein Ohr. Sie lehrte mich neue Stellungen, Variationen und ihre eigenen verrückten Vorlieben. Ich fragte sie nach ihren früheren Ehemännern und Liebhabern, und sie schrie: »Ich sehne mich nach ihnen allen. Ich möchte sie alle zugleich haben, so daß sie mich in Stücke reißen können und nichts von mir übrig bleibt, das man beerdigen kann! Sie sollen mich anspucken und mich in ihrem Speichel ertränken . . .«   - Isaac Bashevis Singer: Gina Halbstark und die Seelenwanderung, nach: Tintenfaß 7, Zürich 1983

Bettgespräch (2)  »Aldo!« rief sie. »Komm her! Komm ins Bett! Ich muß dir was sagen.«

Er errötete lebhaft, als hätte seine Frau ihn dabei erwischt, wie er an der Pasta aus dem Kochtopf naschte, führte hastig die üblichen Abendverrichtungen aus und war bald unter die Bettdecke geschlüpft.

»Eigentlich«, sagte seine Frau, »ist der Faschismus eine große und schöne Sache!«

»Das bestreite ich nicht«, antwortete er, denn bei seinen Urteilen war er stets respektvoll.

»Er hat Straßen gebaut; es herrscht Ordnung; keiner belästigt mehr die Ehrenmänner; erinnerst du dich, als die Kommunisten dich auspfiffen, weil du das Päckchen mit Süßigkeiten in der Hand hattest, das uns nicht mal gehörte. ..?«

»Es war vom Herrn Bürgermeister«, sagte Aldo Piscitello.

»Mir gefällt, wie sie die Jungen erziehen! Du weißt selbst, daß die Jungen verrückt nach Mussolini sind!«

»Das bestreite ich nicht, das bestreite ich nicht! Aber ich hab mich immer nur um meine Angelegenheiten gekümmert, und jetzt weiß ich nicht, was sie mit diesem Faschismus wollen!«

»Hör mal!« sagte seine Frau, die langsam ärgerlich wurde. »Tausend und abertausend Menschen, die besser sind als du und ich, sagen, daß der Faschismus eine große

Sache ist, und du machst so ein Theater, bloß weil du Faschist werden sollst?«

»Oh, ich fühle mich geehrt! Aber verstehst du denn nicht?...«

»Und der Papst? Weißt du, was der Papst gesagt hat? Daß die Vorsehung uns diesen Mann geschickt hat! Also wenn der Papst, der Stellvertreter Gottes auf Erden, nicht zweimal überlegt...«

Und in dieser Weise fuhr die Frau fort, bis sie sich in der Hitze ihrer Beredsamkeit auf ihren rechten Ellbogen aufstützte und bemerkte, daß ihr Mann schlief. Ganz langsam legte sie sich wieder hin und dachte nach. Gegen zwei Uhr morgens, da sie dem boshaften Frohlocken nicht widerstehen konnte, das in ihr die Schlußfolgerung hervorrief, zu der sie durch ihr eigenes Nachdenken gelangt war, weckte sie ihren Ehemann:

»Nun, sag mir eins: Hältst du dich für besser als der Papst?«

»Was?... Nein!... Der Papst?« rief Aldo Piscitello in seiner Angst aus, die ihm nachts die Gedanken an den Papst, die Kaiser, Könige, Diktatoren, Minister und Generäle einflößten, die für ihn eins waren mit den tiefen und finsteren Abgründen, in denen nichts anderes als der Wind haust. Doch dann beruhigte er sich, schloß die Augen wieder und sagte ganz langsam, mit einem Speichelbläschen:

»Morgen trete ich in die Partei ein!« - Vitaliano Brancati, Der Alte mit den Stiefeln. Nach (branc)

Bettgespräch (3) Endlich gibt es was zu essen, dann gehe ich zu Bett. Sie ebenfalls, mit dem üblichen Lärm, der allenthalben ihre Wuchtigkeit begleitet, einem Lärm, den zu beschränken in keines Menschen Macht liegt, sobald man selber ihn nicht wahrnimmt, sich seiner nicht bewußt ist; einem Lärm, dessen Auswirkungen in mir sie sich nicht ausmalen kann. Das Parkett knarrt unter ihren Amazonenschritten; das Bett erzittert von der Heftigkeit des Schwunges, mit dem sie sich hineinwirft. Dann arbeitet sie mit den Hufen, zieht die Decke an sich, die sie mir wegzieht, wärmt sich, während ich vor Kälte schnattere, bis sie sich endlich ganz dicht an mich schmiegt, eine Hand in ihre Zeitung gekrallt, die sie, wie um mich aufs äußerste zu reizen, zerknittert.

«So also», entschloß ich mich endlich, sie anzureden, «werde ich diese Nacht dank deiner nur zwei Stunden geschlafen haben.» - «Du suchst den Tod, das ist deine Sache.» - «Ich fliehe ihn nicht.» - «Da sieht mans wieder. Der Herr hat alle Rechte. Ich keines. Weil es ihm Spaß macht, zu sterben, habe ich kein Recht, zu leben.» - Marcel Jouhandeau, Elise. Reinbek bei Hamburg 1968 (zuerst 1933 ff.)

Bettgespräch (4)
 

Bett Gespräch

 

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