- N.N., aus: Die Zeit, seinerzeit
Bettgenosse (2) Ein Stumpfling, Reisender in Metallen, stieg eines Abends in einer Herberge in Saint-Sever ab und bat um ein Nachtmahl und um Unterkunft. Der Wirt erwiderte, er könne seinen Wunsch nicht erfüllen, alle Betten seien besetzt.
Der Stumpfling aber gab nicht nach und versicherte, er könne sich mit dem geringsten Sessel begnügen; denn er müsse schon sehr früh aufstehen, um seine Reise fortzusetzen.
Da schlug ihm der Wirt vor, das Bett eines Negers zu teilen, der seit zwei Tagen im Hause war und jetzt in tiefem Schlaf lag.
Zuerst zögerte der Stumpfling, als aber der Wirt ihm versicherte, der Neger würde ihn bestimmt nicht fressen, willigte er ein. Der Wirt mußte ihm versprechen, ihn bei Tagesanbruch zu wecken.
Als der Stumpfling eingeschlafen war, schmierte der Wirt ihm das Gesicht über und über mit Kohle ein, und am Morgen weckte er ihn zur verabredeten Stunde. Schnell stand der Stumpfling auf, zog sich an und sah in den Spiegel. Wie groß aber war seine Verblüffung, als er dort ein Gesicht erblickte, wie man es sich schwärzer nicht denken kann.
»Jetzt verstehe ich, was los ist«, sagte er nach kurzer Überlegung; »der Wirt hat sich geirrt, anstatt mich zu wecken, hat er den Neger geweckt. Ich lege mich wieder schlafen.«
Und der Stumpfling zog sich aus, legte sich zu Bett und schlief wieder ein.
- Französische Märchen. Hg. Ré Soupault. Düsseldorf u. Köln
1967
Bettgenosse (3)
Eine nackte schwarze Schnecke Und langsam kommt der Morgen |
|
- Ernst Kahl, Das letzte Bestiarium Perversum. Zürich
2005
Bettgenosse (4)
- Aus: François Truffaut,
Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? München 1973 (zuerst 1966)
Bettgenosse (5)
Bettgenosse (6) Es ging jemand im Zimmer umher, aber Theodule sah ihn nicht, obwohl es recht hell war.
Die andere Seite des Bettes ächzte, und er begriff, daß sich ein schwerer Körper darauf niedergelassen hatte.
»Das ist Mademoiselle Marie«, wiederholte er sich. »Es kann niemand anderer sein.«
Das Gewicht verlagerte sich, und Theodule streckte die Hand nach der Stelle aus, an der die Daunendecke aus roter Seide eingedrückt wurde.
Entsetzen erfaßte sein gesamtes Wesen.
Etwas Abscheuliches ergriff seine Hand, zog sie zu sich, zerkratzte sie, und jemand Unsichtbarer warf sich voll Wut auf ihn.
»Mademoiselle Marie«, flehte er.
Das Ding zog sich ans äußerste Ende des Bettes zurück und schuf eine ungeheure Vertiefung in den Decken und Kissen. Theodule sah deutlich die Stelle, an der zwei riesige Hände zu beiden Seiten eines unwahrscheinlich mächtigen, ruhenden Körpers lagen.
Er hörte nichts, hatte aber das Gefühl eines ungeheuerlichen Atems an seiner
Seite. -
Jean Ray, Das Storchenhaus. Frankfurt am Main 1986
Bettgenosse (7) Ob man es verträgt, mit irgend Jemand, etwa mit eine sehr befreundeten oder geliebten Person das Lager zu theilen, mit einem Worte, einen Schlafkameraden neben sich zu haben?
Kein Sensitiver verträgt dieß. Selbst Ehebetten, wenn sie
neben einander gestellt sind, werden schlafstörend. Die odischen
Atmosphären zweier Menschen wirken so stark auf einander, werden so nachtheilig
durch Verladung und Hemmungen der odischen Emanationen
aus dem Körper, daß die zum Schlafe nöthige Ruhe nicht gewomnnen werden
kann. - Karl Ludwig Freiherr von Reichenbach, Wer ist sensitiv, wer
nicht? Wien 1856
Bettgenossen (8) Wir übernachteten
auf einem unteren Stuhl, der nicht bewohnt war. Es gab zwei Pritschen in der
Hütte, die wir uns gewählt hatten. Haakon machte sich's zum Schlafen auf der
einen, Eystein auf der anderen bequem. Ich hätte mich nun wortlos zu Haakon
legen können, wie ich's wünschte. Doch wollte ich mein heimliches Begehren vor
dem dritten verbergen und stellte mich in die Mitte zwischen beide Lagerstätten,
streckte meine Hände aus und sagte: »Wer mich zu sich hinüberzuziehen vermag,
dessen Bettgefährte werde ich heute sein.« Ich war des Ausgangs siel.er. Eystein
konnte sich an Körperkräften nicht mit Haakon messen. Sie zogen nicht schlecht.
Ich genoß, daß ich, wenn auch nur im Spiel, von zweien begehrt wurde. Plötzlich
ließ Haakon meine Hand. Ich fiel taumelnd auf Eystein. Haakon lachte sehr laut.
Ich wurde sehr still. Eystein lud mich mit weit zurückgeschlagenen Decken neben
ihm zu Hegen ein. Als es nun immer lautloser in der Stube wurde und nur noch
der Atem war, begannen mir Tränen zu perlen. Eystein hatte noch nicht geschlafen.
Er bemerkte, was vorging. Und wischte mir mit seinem Taschentuch das Wasser
fort. Und legte seine Hände behutsam um mich. Wenn ich auch nicht sogleich aufhörte-zu
weinen, so fühlte ich mich doch ein wenig geborgen. Und schlief ein. Am nächsten
Morgen sagte Haakon zu mir: »Bis zum Nachmittag muß dieser Bursche einen anderen
Weg gefunden haben als wir.« - Hans Henny Jahnn, Perrudja. Frankfurt am Main
1966 (zuerst 1929)
Bettgenosse (9) Er
verlor nach und nach das Bewußtsein; die Fieberschauer ließen nach; plötzlich
war ihm, als liefe unter der Decke etwas über seine Hand und über seinen Fuß.
Er fuhr zusammen. Pfui Teufel, das ist ja womöglich eine Maus!
dachte er. Weil ich das Kalbfleisch auf dem Tisch habe stehen lassen ... Er
scheute sich, die Decke zurückzuschlagen, aufzustehen und zu frieren, aber plötzlich
huschte ihm wieder etwas unangenehm über das Bein; er riß die Decke weg und
machte Licht. Zitternd vor Schüttelfrost, bückte er sich, um das Bett zu untersuchen
- da war nichts; er schüttelte die Decke aus, und plötzlich sprang eine Maus
auf das Laken. Er stürzte sich auf sie, um sie zu fangen; aber die Maus lief,
ohne vom Bett zu springen, im Zickzack hierhin und dorthin, schlüpfte ihm durch
die Finger, huschte ihm über die Hand und verschwand plötzlich unter dem Kissen;
er warf das Kissen auf den Boden, doch im selben Augenblick fühlte er, wie ihm
etwas in die Hemdbrust sprang, über seinen Körper jagte und unter dem Hemd schon
auf seinen Rücken gekommen war. - Fjodor M. Dostojewskij, Schuld
und Sühne. München 1987 (zuerst 1866)
Bettgenosse (10)
![]() ![]() |
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
![]() ![]() ![]() |
||
![]() ![]() |
![]() ![]() |