Betschwester  «Ich faß mich also und frach Jesus, wer der größere Sünder is - meine Frau, weil sie mit dem Kerl geht, oder der Kerl, weil er mit meiner Alten geht, und Jesus sacht, wie kommt's denn, daß du mich das frachst, John? Du denkst doch nich dran, daß du ihnen was tun wills, John?  Nee, sach ich, ich werdse in Ruh lassen, Jesus, aber der Mann, der is genauso verheirat wie meine Frau, un ich will nich dafür verantwortlich sein, für das, was zwischen ihm und seiner Frau passieren kann. Sacht Jesus, mach dir keine Sorgen deswegen, John, es bleiben doch immer welche übrig...»

Ein plötzlich aufzuckender Blitz beleuchtete einen zweiten Mann, der unmittelbar hinter der faszinierten Betschwester kniete und ihr mit einer Rasierklinge den Rock hinten so vorsichtig aufschlitzte, daß sie nichts davon spürte. Dann schnitt er den Unterrock in der gleichen Weise auf. Die Klinge beschrieb einen weiten Halbkreis - einmal, zweimal; die ausgeschnittenen Bahnen von Rock und Unterrock wurden behutsam entfernt und dann achtlos gegen die Kirchenmauer geworfen. Die Operation enthüllte eine schwarze, in rosa Kunstseidenhöschen gehüllte Hinterbacke und die nackte Rückseite eines dicken schwarzen Oberschenkels über dem umgerollten Saum eines beigefarbenen Kunstseidenstrumpfs. Die Betschwester hatte nichts gemerkt.

«Jeder, wo Ehebruch begeht, bricht eins der Gebote meines Vaters, sacht Jesus, egal wie gut dasses tut», berichtete John.  «Amen», flüsterte die Betschwester. Ihr Hintern begann zu beben, als sie sich diese ungeheuerliche Sünde vor Augen hielt, was den hinter ihr Knienden zu größerer Vorsicht zwang.

«Sach ich zu Jesus, das is das Dumme am Christentum: Die guten Sachen sin immer Sünde», sagte John. «Weiß Gott, ja. Is doch wahr!» rief die Betschwester und beugte sich rar, um John in spontan aufwallender Freude auf die Schulter zu klopfen. Die abgetrennte linke Hälfte von Rock und Unterrock fielen dem knienden Mann in die Hand.

Jetzt waren der ganze untere Teil des breiten, rosa verhüllten Hinterns und die Rückseite zweier dicker schwarzer Oberschenkel über beigefarbenen  Strümpfen  entblößt.  Die  schwarzen  Oberschenkel  quollen nach allen Seiten, so daß unmittelbar unter dem Schritt, dort wo der Körper begann, eine Art Tasche entstand, in der man sich das Gesäß eines Mannes vorstellen konnte, festgeklemmt wie in einem Schraubstock. Aber jetzt hing in dieser Tasche, an einem Gummiband befestigt, in wasserdichter Geldbeutel. Das Gummiband verschwand unter dem Schlüpfer und war um die Taille der Frau geschlungen.

Mit atemberaubender Zartheit, aber mit sicherem Griff und fester Hand griff der Kniende nach dem Geldbeutel und begann das Gummiband zu durchschneiden. Er erinnerte an einen Chirurgen bei einer Gehirnoperation.

John beugte sich vor und faßte die Frau zärtlich an der Schulter; seine Stimme klang heiser:

«Da sacht Jesus, John, sacht er, begeh du soviel Ehebruch wie du willst - aaaber wunner dich nich, wenn du hinnerher in der Hölle braten mußt.» Es klang überredend.

Die Betschwester lachte schrill und klopfte ihm wieder auf die Schulter. «Er wollt dich nur aufziehn, der Heiland. Ein einziges Mal wird er uns bestimmt vergeben.» Sie zuckte einladend mit dem Hintern - zweifellos, um Jesu Barmherzigkeit zu demonstrieren.

Dabei spürte sie die Hand, die behutsam den Geldbeutel zwischen ihren Beinen herauszog. Noch ehe sie sich umgedreht hatte, schlug sie automatisch nach hinten und traf den knienden Mann mitten ins Gesicht.

«Mutterschänder, willst du mir mein Geld stehlen», keifte sie und wollte sich auf den Dieb stürzen.

Der schlug einen Haken und rannte blindlings auf die Fahrbahn. Hoch ehe ihm die Betschwester folgen konnte, traf ihn mit voller Wucht ein in rasendem Tempo um die Ecke fegender Lieferwagen für Fleisch, schleuderte ihn zehn Meter weit vor sich her auf die Straße und überfuhr ihn anschließend. Dabei verlor der Fahrer die Herrschaft über den Wagen. Das Fahrzeug machte einen Satz auf den Gehsteig, riß einen Telefonmast an der Ecke der Seventh Avenue um, kam auf dem nassen Asphalt noch mehr ins Schleudern und krachte gegen die Betonbarriere, die den Grünstreifen in der Mitte der Avenue einfaßt.

Die Betschwester rannte zu dem zerschmetterten Körper hinüber und riß den Geldbeutel an sich, den der Tote noch in der Hand hielt. Sie achtete nicht auf den strömenden Regen; sie achtete auch nicht auf die grellen Scheinwerfer des gepanzerten Lastwagens, die wie Zwillingskometen aus der Nacht auf sie zurasten.

Der Fahrer sah plötzlich mitten auf der Straße das rosa überspannte Gesäß einer großen schwarzen Frau vor sich, die sich über jemand beugte, der wie ein Toter aussah; er war endgültig davon überzeugt, Delirium tremens zu haben.    - Chester Himes, Schwarzes Geld für weiße Gauner. Reinbek bei Hamburg 1967

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