etriebsnudel Er
war an die fünfzig, schwächlich und verhutzelt, mit fürchterlichen Brandmalen
auf Wangen und Stirn, hager, schmächtig und weiß wie ein gerupftes Hühnchen.
Sein Gesichtsausdruck spiegelte eine stete, durch nichts zu erschütternde Selbstzufriedenheit,
ja Glückseligkeit. Man hatte den Eindruck, daß er sich nicht das mindeste daraus
machte, im Zuchthaus zu sitzen. Er war Juwelier, und da es in der Stadt keinen
Juwelier gab, arbeitete er ständig und ausschließlich für die Herrschaften und
Behörden der Stadt. Dafür bekam er immerhin ein Weniges bezahlt. Er litt keine
Not, legte aber sein Geld zurück und lieh es zu Wucherzinsen an jedermann im
Zuchthaus aus. Er besaß einen eigenen Samowar, eine gute Matratze, Tassen und
ein komplettes Eßgeschirr. Alle Juden der Stadt waren seine Gönner und ließen
ihn nicht im Stich. Jeden Sabbat ging er unter Bewachung in das jüdische Bethaus
der Stadt (was ihm von Gesetzes wegen zustand), er lebte herrlich und in Freuden,
wenn er auch voller Ungeduld auf das Ende seiner zwölfjährigen Haftzeit wartete,
um sich zu verehelichen. Er vereinte in sich eine unwahrscheinliche Mischung
aus Naivität, Dummheit, Schläue, Dreistigkeit, Einfalt, Schüchternheit, Prahlsucht
und Unverschämtheit. Ich fand es recht sonderbar, daß die Zuchthäusler ihn nie
verhöhnten, sondern allenfalls aus Spaß ein bißchen foppten. Offensichtlich
diente Issai Fomitsch ihnen allen zur Unterhaltung und täglichen Belustigung.
»So was gibt's nur einmal, laßt unseren Issai Fomitsch in Frieden«, pflegten
die Gefangenen zu sagen, und wenn Issai Fomitsch auch wohl wußte, was es damit
auf sich hatte, war er doch ganz offenbar stolz über seine Bedeutung, was die
andern Sträflinge ungemein erheiterte. - Fjodor M. Dostojewskij,
Aufzeichnungen aus einem toten Hause. München 1985 (zuerst 1861-62)
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