estrahlung Amerikas
protestantische Beklemmung, belehrte mich Melanie, jahrzehntelang dem immer
härter strahlenden Licht der Psychoanalyse ausgesetzt, löst sich jetzt, wenn
auch vorerst nur in den luxuriösen Carceri der Avantgarde; aber in diesen Nistplätzen
der Zukunft regt sich jetzt, was der Allgemeinheit später blüht. Was sich jetzt
regt, zeigt an, daß die Epoche der bloß seelischen Grausamkeit endlich überwunden
ist, endlich wird ernst gemacht, die Links-intellektuellen dort lassen sich
heute schon vom Land Pferdemist, Mohn und Stiertestikel schicken, dann streuen
sie Fisch-Schuppen durch die Stube, ein paar Kilo Damenstrümpfe, zerschnipselte
Haare, Artikel der Baby- und Frauenhygiene, Bettfedern, rotlackierte Tannenzapfen,
dann wird etwas angezündet, etwas geraucht, etwas getrunken, dann beginnen mehrere
sich, freier zu fühlen. Die Popparty wird natürlich immer auf Tonband genommen.
Aber bevor die Angehörigen der Schlagenden Generation einander nicht wirklich
aufessen können, kommen sie sich immer noch bürgerlich vor, suchen sie also
weiter nach der Möglichkeit, zur selben Zeit vollkommen zu verzehren und vollkommen
verzehrt zu werden, und das mit einem Genuß, der die Atombombe übertrifft. Jawohl.
Donnerwetter, sagte ich. - Martin Walser, Das Einhorn. Frankfurt am Main
1966
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