estimmung   Im Osten  lebte ein gewisser Mann, der über den Markt von Damaskus ging, als ihm der Tod von Angesicht zu Angesicht gegenübertrat. Er bemerkte einen Ausdruck der Überraschung in der Miene der schauerlichen Erscheinung, doch gingen sie wortlos aneinander vorüber. Der Mann bekam's mit der Angst zu tun und suchte einen Weisen auf, um sich Rats zu holen. Der Weise sagte ihm, daß der Tod vermutlich nach Damaskus gekommen sei, um ihn am nächsten Morgen zu holen. Der arme Kerl war darob naturgemäß höchlichst entsetzt und fragte, wie er dem entrinnen könne. Das einzige, was ihnen einfiel, war, daß das Opfer noch in der Nacht nach Aleppo reiten solle, um so dem Schädel und den blutigen Knochen zu entkommen.

Der Mann ritt also tatsächlich nach Aleppo — es war ein ungeheuer anstrengender Ritt, den noch niemand in einer einzigen Nacht geschafft hatte —, und als er dort war, ging er über den Markt und gratulierte sich, daß er dem Tod entgangen sei.

In diesem Augenblick kam der Tod und klopfte ihm auf die Schulter.

›Entschuldige‹, sagte er, ›aber ich wollte dich holen.‹ ›Wieso denn?‹ rief der Mann entsetzt, ›ich hab' gedacht, ich wär' dir gestern in Damaskus begegnet. ›Genau das‹, sagte der Tod. ›Deshalb hab' ich so überrascht dreingeschaut — denn mir war gesagt worden, ich würde dich heute in Aleppo treffen.«  - T.H. White, Der König auf Camelot. Stuttgart 1978 (zuerst 1976)

Bestimmung (2) Vor mehr als zwanzig Jahren wurde Giacometti eines Abends beim Überqueren der Place d’Italie von einem Auto angefahren. Er wurde verletzt, das Bein war ausgerenkt, aber in dem Dämmerzustand, der ihn befallen hatte, spürte er zunächst so etwas wie Freude: „Endlich einmal erlebe ich etwas!“ Ich kenne seinen Radikalismus: er war auf das Schlimmste gefaßt. Sein Leben, daß er so sehr liebte, daß er sich kein anderes zu wünschen vermochte, war in Verwirrung geraten, vielleicht sogar durch die stupide Heftigkeit des Zufalls zerbrochen. Nun sagte er sich: „Also war ich nicht dazu bestimmt, Bildhauer zu werden, vielleicht war ich nicht einmal für das Leben bestimmt; ich war zu nichts bestimmt." - Jean Paul Sartre, Die Wörter, nach: Paul Wühr, Wiener Vorlesungen zur Literatur 1. In: Wespennest. Zeitschrift für brauchbare Texte und Bilder, Nr.74 (1989)

Bestimmung (3)  Mit lautem Platsch glitt die Schnecke ins Wasser. ›Was steht mir jetzt bevor‹, dachte der Professor, ›ertrinken oder lebendig gefressen werden?‹ Er stand nur bis zur Hüfte im Wasser, als er ausglitt und nicht wieder hochkam, denn die Schnecke ließ sich mit ihrem ganzen Gewicht auf ihm nieder; und während Tausende von Zähnen an seinem Rücken zu nagen begannen, erkannte er noch, daß es ihm bestimmt war, sowohl ertränkt wie gefressen zu werden. - Patricia Highsmith, Auf der Suche nach X.Claveringii. In: P.H., Gesammelte Erzählungen. Zürich 1973

Ziel Schicksal Determinismus

 

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