restiarium A Bestiary is a collection of short descriptions about all sorts of animals, real and imaginary, birds and even rocks, accompanied by a moralising explanation. Although it deals with the natural world it was never meant to be a scientific text and should not be read as such. Some observations may be quite accurate but they are given the same weight as totally fabulous accounts. The Bestiary appeared in its present form in England in the twelfth century, as a compilation of many earlier sources, principally the Physiologus. A great deal of its charm comes from the humour and imagination of the illustrations, painted partly for pleasure but justified as a didactic tool 'to improve the minds of ordinary people, in such a way that the soul will at least perceive physically things which it has difficulty grasping mentally: that what they have difficulty comprehending with their ears, they will perceive with their eyes.' - Aberdeen Bestiary Project

Bestiarium (2)

Bestiarium ohne Vornamen

der Elefant ist in den Millimeter verliebt

die Schnecke ist stolz
unter ihrem Goldhut
ihre Haut ist ruhig
mit einem Pflanzenlächeln
trägt sie ihr Gelatinegewehr

der Adler hat Gebärden von vermutlicher Leere
sein Euter ist mit Blitzen gefüllt

der Löwe trägt einen Schnurrbart
im reinen gotischen Flammenstil
und blasse geschniegelte Schuhe
wie ein Neo-Soldat
nach einer Mondniederlage

die Languste klettert vom Mast
vertauscht ihren Spazierstock mit einer Baguette
und klimmt mit ihrem Stab
wieder am Baumstamm empor
die Fliege mit ihrem brummenden Blick
legt ihre Nase zur Ruh auf einem Wasserstrahl

Die Kuh schlägt den Pergament-Weg ein
der sich in einem Fleisch-Buch verliert
jedes Haar dieses Buchs wiegt ein Pfund

die Schlange springt pickend und prickelnd
um die Liebesnäpfe
die voll sind von Herzen mit Pfeilen durchbohrt

der apathische Paradiesvogel
wird apapathischer Paparadiesvogel
der apapathische Paparadiesvogel
wird großpapathischer Großpaparadiesvogel

die Nachtigall Schwester der Sphinx
berieselt Mägen Herzen Hirne Kaldaunen
das heißt Lilien Rosen Nelken Flieder

der Floh trägt seinen rechten Fuß
hinter seinem linken Ohr
und seine linke Hand
in seiner rechten Hand
und springt auf seinem linken Fuß
über sein rechtes Ohr

- Hans Arp, nach (hum)

Bestiarium (3) In drei nachfolgenden Sonntagsnummern der Prager Presse erschien ein Feuilleton Großes Literarisches Bestiarium von Franz Blei. Der Verfasser beschrieb die verschiedensten Schriftsteller und Dichter als Fische, Vögel, Maulwürfe, Hasen und so weiter. Über Kafka sagte er unter anderem, daß das ein besonderer Vogel sei, der sich von bitteren Wurzeln nähre.

Ich befragte Kafka über Franz Blei. »Das ist eine alte, langjährige gute Bekanntschaft von Max Brod«, sagte er lächelnd. »Blei ist riesig gescheit und witzig. Es ist immer lustig, wenn wir mit ihm zusammenkommen. Die Weltliteratur defiliert in Unterhosen an unserem Tisch vorbei. Franz Blei ist viel gescheiter und größer als das, was er schreibt. Das ist auch ganz natürlich, da es nur eine hingeschriebene Unterhaltung ist. Der Weg vom Kopf zur Feder ist aber viel länger und schwieriger als der Weg vom Kopf zur Zunge. Da geht manches verloren. Franz Blei ist ein nach Deutschland verirrter orientalischer Anekdotenerzähler.« - Gustav Janouch, Gespräche mit Kafka. Aufzeichnungen und Erinnerungen. Frankfurt am Main 1981 (Fischer Tb. 5093, zuerst 1954)

Bestiarium (4)  

Die Lerch trierieret ihr Tiretilier,
es binken die Finken den Buhlen allhier.
Die Frösche coaxen und wachsen in Lachen,
rekrecken, mit Strecken sich lustiger machen,
es kimmert und wimmert der Nachtigall Kind,
sie pfeifet und schleifet mit künstlichem Wind.

- Johann Klaj, nach: Gustav René Hocke, Manierismus in der Literatur. Sprach-Alchimie und esoterische Kombinationskunst. Reinbek bei Hamburg 1969 (rde 82/83, zuerst 1959)

Bestiarium (5)

Quatre fascinants

I   Der Stier

Niemals ist Nacht, wenn du stirbst,
umringt von heulendem Dunkel,
du Sonne mit Zwillingsspitzen.

Liebesraubtier, Wahrheit im Schwert,
Paar, sich durchbohrend, einzig unter allen.

II    Die Forelle

Ufer, ihr sinkt ein unterm Schmuck,
um den ganzen Spiegel Zu füllen,
Kies, wo die Barke stammelt,
von der Strömung bedrängt und geschürzt,
Halme, Halme, immer gereckt,
Halme, Halme, stets ohne Rast,
was wird aus eurem Geschöpf
in den glasigen Gewittern,
zu denen sein Herz es hinriß?

III    Die Schlange

Fürstin des Widersinns, laß mein Lieben,
das wie du in Bann getan,
dem alten Herrgott entrinnen, verhaßt mir,
da ich erst ihn verwirren, dann täuschen konnte.

Vergeltung deinen Farben, milde Schlange,
im Schutz des Waldes und in jedem Haus.
Durch das Band zwischen Licht und Angst
täuschst du Flucht vor, randwärtige Schlange!

IV    Die Lerche

Äußerste Glut des Himmels und erstes Erglühn des Tages,
Kleinod ins Frühlicht gefaßt, besingt sie die rastlose Welt,
Glockenspiel, Herr ihres Atems und frei im Fluge.

Die bezaubernd uns bannt, wird durch Blendwerk erlegt. 

- René Char, nach (mus)

Buch Klassifikation Tierforschung
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Entenforschung
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