Beseelung  Bewährungshelfer, Psychologen, Sozialarbeiter, Anstaltswärter, im Grunde alle helfenden Berufe, neigen dazu, ihre eigene Einschätzung einer Sachlage überzubewerten. Oft mit einer handfesten Ideologie und Lehrmeinung ausgestattet und in ein einigermaßen funktionierendes Sozialsystem integriert, sind sie es gewohnt, in den Menschen, mit denen sie zu tun haben, je nach eigener beruflicher und privater Ausrichtung Hilfsbedürftige, Verblendete, Kranke oder Gestörte zu sehen. Sie sind der Meinung, daß eine Veränderung des Menschen im Grunde kaum möglich ist. Wer sich ändert, überspielt etwas anderes. Oder er plant etwas. Selbst der Anstaltsgeistliche war von der Beseelung Dee Bees nicht recht begeistert. Er lächelte mild und spielte den Interessierten. Alle spielten sie die Interessierten. Und weil sie selbst gewohnt waren zu spielen, kamen sie auch sofort auf die Idee, daß Dee Bee spielte. Ein siebenunddreißigjähriger Taugenichts. Ohne Schulbildung. Früh ins Heim. Eine Kindheit voller kleiner Gaunereien. Dann Jugendarrest. Wieder Heim. Wieder kleinere Delikte, allerdings mit Gewaltbereitschaft. Gefängnis. Und so weiter. Eine ganz typische Karriere. Und wie sie weiterging, wußte man auch. Ob jetzt mit Heiligenschein oder ohne.

David Batnik war jedoch tatsächlich von einer Erscheinung heimgesucht worden. Einer simplen kleinen Erscheinung, von der er über ein Jahr lang niemandem auch nur ein Wort verraten hatte. Es handelte sich nicht um einen Engel, der ihm hinter einer Trennwand einen Text diktierte, den allein er zu lesen verstand, weil der Gottesbote ihm die dafür benötigte himmlische Brille gleich mitlieferte, auch nicht um einen brennenden Dornbusch, aus dem eine Stimme ihn zur Rückkehr aufforderte. Im Grunde war an seiner Erscheinung überhaupt nichts besonderes, weshalb Batnik anfangs auch gar nicht recht begreifen konnte, daß es sich dennoch um eine solche handelte.

Die Erscheinung bestand aus einem Jungen mit einem Ball in der Hand. David Batnik konnte nicht genau erkennen, ob es sich um einen Baseball oder Basketball handelte, obwohl er sich ziemlich sicher war, die Umrisse eines Basketballs ausgemacht zu haben.

Der Junge stand vor ihm mit dem Ball in der Hand und fragte: „Spielst du mit mir?"   - (blue)

Beseelung (2)    »Oft hören wir Leute sagen«, fuhr Mr. Gcard fort, »Insekten haben keine Seelen. Nun ist aber diese Nacht Christus zu mir gekommen und hat mir gesagt, daß jedes Insekt bis hinab zur kleinsten Milbe, Mikrobe oder Bazille eine unsterbliche Seele besitzt. Es muß etwa gegen halb drei letzte Nacht gewesen sein, als der Herr mir davon erzählte, daß Insekten Seelen haben.'Ich weiß, daß es um die Zeit rum war, weil ich die Uhr zwei schlagen hörte. Ich fragte ihn auch, ob Würmer oder etwa Schnecken Seelen haben. ›Jedes einzelne von ihnen‹, sagte Er, ›jedes einzelne von ihnen.‹ All diese Seelen, meine Lieben, erklärte mir der Herr, wenn sie auch irn Hinblick auf das Sichtbare vergänglich sind, sind unvergänglich im Hinblick auf das Unsichtbare. Sie sterben nicht ganz . . . wie der heidnische Dichter sagt. Etwas in ihnen sinkt hinab und entschlüpft in die Tiefenströmung des unsterblichen Daseins. Körper sind nur ein Ausdruck für Seelen; und wenn die Körper von Würmern, Stechmücken und Hohltieren, jawohl, von der kleinsten Amöbe, die es gibt, in dieser Dimension umkommen, entflieht etwas Überdauerndes und Unzerstörbares, was die lebende Wesenheit dieser winzigen Geschöpfe gewesen ist, in die Traumwelt, deren Ränder die unsere überlappen. Diese andere Welt, diese unsichtbare Dimension, ist genauso eine Traumwelt wie unsere eigene. In diese Folge von Traumwelten treiben uns unsere Seelen voran, trinken das Leben und kämpfen mit dem Bösen; suchen dabei Ruhe und Frieden. Zu fragen, wo denn Raum, wo Platz für all diese Myriaden der vom Lebcnsstrorn seit Erdanfang massenhaft in die Welt gesetzten Bewußtseinsformen sein kann, heißt eine kindliche Frage stellen! Zeit und Raum, wie wir sie kennen, haben in dieser anderen Traumwelt, in welche die unsterblichen Seelen aller toten Organismen überwechseln, keine Bedeutung. Christi Blut, meine Lieben, ist der Lebenssaft, der herausrinnt, wenn irgendein Organismus, von den Dornen dieses betrüblichen Traums aufgespießt, in den ihn umgebenden übergeht. Aus diesem tieferen Traum fiel vor Urzeiten etwas auf Glastonbury, das uns bis heute verblüfft und beschäftigt. Sich ihm zu nähern, gibt uns einen plötzlichen Schrecken, eine Bestürzung, einen Krampf, ein Erschauern der Lebensnerven. Niemand kann es berühren ohne eine heftige seelische Verwirrung, eine Ekstase wohliger Verrücktheit. Niemand kann es ganz in sich aufnehmen und leben. Schon das Berühren dieses Dings heißt, direkt von der Quelle des Lebens trinken. Solch ein Trank macht uns löwcn-stark. Fortis imaginatio generat causas, wie der alte Lehrmeister sagt; und mit derart gestärkten Willenskräften können wir Tag und Nacht von allen Dingen auf der Welt - von Wind und Regen, von Erde, Feuer, Wasser und Luft - das Blut des Ewigen trinken! Und der Herr, meine Lieben, hat mir noch mehr als das erzählt. Ob wir nun Männer oder Frauen sind, sagte Er, unsere Seelen können die reizenden Körper der anderen umarmen, bis Fleisch und Blut ihren Geist aufgeben. Nur Gutes kann aus jeder Umarmung kommen, meine Lieben. Es spielt überhaupt keine Rolle, aus welchem Kelch, aus welchem Pokal wir trinken, solange wir, ohne grausam zu sein, das Leben in vollen Zügen trinken. Sinn, Zweck, Absicht und Geheimnis Christi, meine Lieben, bedeuten nicht, das Leben zu verstehen, es zu formen, es zu ändern oder es sogar zu lieben, sondern einzig und allein, von seinem unsterblichen Urstoff zu trinken! Wenn wir in dieser Weise das Leben trinken, werden wir mehr und mehr eins mit dem in uns, was der Tod nicht umbringen kann, mit dem in uns, was hinabsinkt durch Träume auf Träume dessen, was vergeht in ... in ... in etwas, meine Lieben, was ... etwas, was ... das Blut und das Wasser und das...«

Geard von Glastonbury brach mitten im Satz ab. Die beiden jungen Reporter des Landboten bekamen den Eindruck, er hätte wohl aufgehört mit: »und der Schlamm und der Sand und die See und das Land ist« oder mit irgendeinem anderen trägen und schläfrigem Gestammel. Jedenfalls streckte er die Beine aus und ließ das zerlumpte Bärenfell von seinen Knien gleiten. Schamlos erhob er sich dann vor allen etwas aus seinem Stuhl und ließ einen fahren. Dann, mit unverfrorener Selbstgewißheit und kaum die Hand vor den Mund haltend, gähnte er gewaltig.  - (cowp)

 

Seele

 

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