eschützer Auf
den Bahnsteigen standen wartend Leute herum, und viele schliefen auf den
Marmorbänken: lauter Hungerleider, ihre Bündel neben sich, aus denen es
nach Schafen und verfaultem Käse stank. Es gab zwar solche, die auf und
ab gingen wie Tommaso, doch das waren hauptsächlich Diebe und Zuhälter;
und tatsächlich drängten sich an den Ausgängen zur Via Marsala und zur
Via Giolitti die leichten Mädchen. Tommaso beobachtete sie eine um die
andere, strich in einiger Entfernung um sie herum, und dabei fiel ihm vor
allem eine auf, deren Beschützer, ein Sabbergreis, sich kaum aufrechthalten
konnte. Sie hatte sich an der Treppe postiert, die zu den Waschräumen,
Bädern und Schuhputzern hinunterführte. In einem roten Mantel stand sie
da, klein, mit einem Busen, der fast größer war als sie selbst. Sobald
sie vor der marmornen Rampe auf und ab schritt, schlich der Mummelgreis
mit tropfender Nase hinter ihr her. Bis sie im Schatten der Arkaden jenseits
der Straße untertauchte. Der Alte sah sich erschrocken um und schickte
sich seinerseits an, die Straße zu überqueren. Er war so dünn, daß ein
Windhauch ihn weggetragen hätte. - Pier Paolo Pasoloni,
Vita Violenta. München u. Zürich 1983 (zuerst 1959)
Beschützer (2) Als der junge Armenier eine schmale Seitenstraße erreichte, wo eine Laterne stand, traten zwei Männer an ihn heran und sprachen mit ihm, wobei sie ihn in die Mitte nahmen. Der Junge wäre weitergegangen, ohne sich um sie zu kümmern, wenn der eine ihn nicht mit ausgestrecktem Arm zurückgehalten hätte. Der andere Mann nahm die rechte Hand aus der Tasche und schwenkte sie vor dem Gesicht des Jungen, so daß die nickelplattierten Fingerknöchel im Licht aufschimmerten. Der Junge duckte sich geschwind unter dem drohend erhobenen Schlagring weg und setzte seinen Weg fort, ohne sich auch nur ein einziges Mal nach den beiden Männern umzusehen, die sich nun von hinten an ihn heranmachten.
Unmittelbar bevor sie ihn einholten, wurden sie von jemand anderem eingeholt — einem hreitrückigen, langarmigen Gorilla, den ich vorher nicht bemerkt hatte. Mit jedem Arm fing er sich einen Mann. Er packte sie am Nacken, riß sie zurück, schüttelte sie, bis ihnen der Hut vom Kopf fiel, stieß sie mit dem Schädel aneinander, daß es krachte, und verschwand, die schlaffen Körper wie Kleiderbündel hinter sich herzerrend, in der Seitengasse. Währenddessen schlenderte der Junge unbekümmert weiter die Straße hinunter.
Als der Schädelknacker wieder zum Vorschein kam, sah ich sein Gesicht im
Licht der Straßenlaterne — ein dunkelhäutiges tiefgefurchtes Gesicht, breit
und flach, mit Kiefermuskeln, die wie Geschwüre unter den Ohren lagen. Er spuckte
aus, zog sich die Hose zurecht und trabte die Straße hinunter hinter dem Jungen
her. - Dashiell Hammett, Raubmord.
Frankfurt am Main und Berlin 1968
Beschützer (3)
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