Für einen Geist, der nicht in den Rhythmus unseres Raumes hineingeboren ist, haften diesem Vorgange alle Kennzeichen des Rätselhaften, ja wohl des Irrsinnigen an. Es finden hier unter der unbarmherzigen Maske der Ökonomie und der Konkurrenz erstaunliche Dinge statt. So muß etwa ein Christ zu dem Urteil kommen, daß Formen, wie sie die Reklame in dieser Zeit angenommen hat, ein satanischer Charakter innewohnt. Die abstrakten Beschwörungen und Wettkämpfe des Lichtes im Zentrum der Städte erinnern an das stumme und erbitterte Ringen der Pflanzen um Erde und Raum. Dem Auge eines Orientalen muß es rein körperlich und schmerzhaft sichtbar werden, daß jeder Mensch, jeder Passant auf der Straße sich mit allen Kennzeichen eines Wettläufers bewegt. Die neuesten Anlagen, die wirkungsvollsten Mittel stehen nur kurze Zeit; sie werden entweder abgerissen oder aufgebaut.
Infolgedessen gibt es kein Kapital im alten statischen Sinne; der Wert selbst des Goldes ist zweifelhaft Es gibt kein Handwerk mehr, in dem man auslernen, in dem man abgeschlossene Meisterschaft erlangen kann; wir alle sind Lehrlinge. Dem Verkehr und der Produktion haftet etwas Maßloses und Unberechenbares an — je schneller man sich zu bewegen vermag, desto weniger kommt man zum Ziel, und die Steigerung der Ernten und der Gütererzeugung steht zur wachsenden Verelendung der Massen in einem seltsamen Gegensatz. Auch die Machtmittel sind veränderlich; der Krieg an den großen Fronten der Zivilisation stellt sich dar als ein fieberhafter Austausch von Formeln der Physik, der Chemie und der höheren Mathematik. Die ungeheuren Arsenale der Vernichtung gewähren keine Sicherheit; schon morgen vielleicht hat man die tönernen Füße der Kolosse entdeckt. Nichts ist beständig als die Veränderung, und an dieser Tatsache zerschellt jedes Bestreben, das auf Besitz, Zufriedenheit oder Sicherheit gerichtet ist.
Wohl dem, der andere, kühnere Wege zu gehen versteht. - Ernst
Jünger, Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt. Stuttgart 1982 (Cotta's Bibliothek
der Moderne 1, zuerst 1932)
Die vier blickten sich nach Rettung um, sie sahen uns und stürzten auf das
Gitter zu. Aber in ihnen verbrannte das Leben. Als sie nach sieben oder acht
Sekunden das Gitter erreicht hatten, standen sie dort als vier Greise — mit
schneeweißem Haar und Bart, verwelkt und knöchern. Einem gelang es noch, sich
mit seinen skeletthaften Händen an einen der Gitterstäbe zu klammern. Dann brach
er zusammen, zugleich mit seinen Gefährten. Vier Tote! Und die elenden Körper
dieser armen vier Kinder strömten alsbald einen pestilenzialischen Gestank aus,
sie verwesten, das Fleisch zerfiel, die Knochen kamen zum Vorschein. Dann lösten
sich unter meinen Augen auch die Knochen zu einem weißlichen Pulver
auf. - Dino Buzzati, Die Maschine des Aldo Christofari. Frankfurt
am Main 1985
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