eschlafen Theils dringen äußere Sinneseindrücke störend und unterbrechend auf das Denken ein, ihm jeden Augenblick das Fremdartigste aufzwingend, theils zieht am Bande der Association ein Gedanke den andern herbei und wird nun selbst von ihm verdrängt; theils endlich ist auch der Intellekt selbst nicht ein Mal fähig sich sehr lange und anhaltend auf einen Gedanken zu heften: sondern wie das Auge, wenn es lange auf einen Gegenstand hinstarrt, ihn bald nicht mehr deutlich sieht, indem die Umrisse in einander fließen, sich verwirren und endlich Alles dunkel wird; so wird auch, durch lange fortgesetztes Grübeln über eine Sache, allmälig das Denken verworren, stumpft sich ab und endigt in völliger Dumpfheit.
Daher müssen wir jede Meditation oder Deliberation [Überlegung],
welche glücklicherweise ungestört geblieben, aber doch nicht zu Ende geführt
worden, auch wenn sie die wichtigste und uns angelegenste Sache betrifft,
nach einer gewissen Zeit, deren Maaß individuell ist, vor der Hand aufgeben
und ihren uns so interessanten Gegenstand aus dem Bewußtseyn entlassen,
um uns, so schwer die Sorge darüber auch auf uns lastet, jetzt mit unbedeutenden
und gleichgültigen Dingen zu beschäftigen. Während dieser Zeit nun ist
jener wichtige Gegenstand für uns nicht mehr vorhanden: er ist jetzt, wie
die Wärme im kalten Wasser, latent. Wenn wir ihn nun, zur andern Zeit,
wieder aufnehmen; so kommen wir an ihn wie an eine neue Sache, in der wir
uns von Neuem, wiewohl schneller, orientiren, und auch der angenehme, oder
widrige Eindruck derselben auf unsern Willen tritt von Neuem ein. Inzwischen
kommen wir selbst nicht ganz unverändert zurück. Denn mit der physischen
Mischung der Säfte und Spannung der Nerven, welche,
nach Stunden, Tagen und Jahreszeiten, stets wechselt, ändert sich auch
unsere Stimmung und Ansicht: zudem haben die in der Zwischenzeit dagewesenen
fremdartigen Vorstellungen einen Nachklang zurückgelassen, dessen Ton auf
die folgenden Einfluß hat. Daher erscheint uns die selbe Sache zu verschiedenen
Zeiten, Morgens, Abends, Nachmittags, oder am andern Tage, oft sehr verschieden:
entgegengesetzte Ansichten derselben drängen sich jetzt auf und vermehren
unsern Zweifel. Darum spricht man vom Beschlafen einer Angelegenheit und
fordert zu großen Entschlüssen lange Ueberlegungszeit. - (
wv
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Beschlafen (2)