Bernhardiner  Der Hund sieht nicht vieie Menschen hier, sagt die Gutsherrin. Manche lehnt er ah. Er stößt sie um und »bricht sie in der Taille«. Damit meinte sie, daß er zubiß. Er sucht sich unter meinen Freunden einige aus, sagte die Frau, mit denen spielt er. Er lasse sie keinen Schritt tun, ohne ihnen zu folgen, sie zu umarmen und zu zwicken. Das bedeutete, daß der Bernhardiner (der Butzi hieß, sie hatte ihn als Wollknäuel in Kopfgröße des jetzigen Hundes gekauft) den Besucher umwarf, mit den kräftigen Vorderpfoten an den Oberschenkeln umklammerte und zubiß. Das Umklammern vermittelte einen geschlechtlichen Eindruck.   ; Die Gutsherrin bewohnte das sog. Herrenhaus. Sie hatte die 1 000 ha Grundfläche verpachtet, und sie war entschlossen, aus Liebe zu ihrem toten Vater nichts von diesem Besitz aufzugeben. Das zwang sie, in dieser Einöde auszuharren. Den Gedanken an den Vater zu wahren - eine in Grund und Boden verankerte Idee. Insofern war es ein teils verpachteter, teils auf schwierige Weise bewohnter Vater. Einige der Freunde gingen davon aus, daß die Seele des Vaters im Bernhardiner fortlebe.

Sie hatte heim Landrat die Ausnahmegenehmigung erwirkt, den Vater im Garten unter Erlen am Gebirgsfluß zu beerdigen. Daß er dort tatsächlich lag, war ihr nicht wichtig. Sie führte den Vater vielmehr in Form dieser großen Hundeseele mit sich, die störrisch und unbeherrschbar blieb wie der in ihr verkörperte Auftrag.

Nun aber gehörte nicht sie dem Hund, sondern dieser ihr. Das stand in Widerspruch zu der Tatsache, daß ihre Liebe dem Vater gehörte (er aber nicht ihr). Um das Mißverständnis zu vermeiden, war sie nicht bereit, höfliche Versicherungen abzugeben: ach, dieser Hund beißt nicht. Oder: er gehorcht mir. Vielmehr betonte sie seine objektive Gefährlichkeit, indem sie, sobald er anzugreifen drohte, heftig an seinen Zotteln zerrte, ihn auf den Rücken warf und besänftigend kraulte. Sie wies darauf hin, daß sie eine äußerste Gefahr für den Besucher abzuwenden suchte. Soweit ihre Kräfte gegenüber der im Hunde ent-haltene'n Naturgewalt ausreichten.

Mit der Zeit kamen immer weniger Besucher. Sie beschönigte nichts, sagte, er werfe nicht nur Kinder um, man dürfe den Hund nicht bis in die Nähe des Halses gelangen lassen. Etwas anderes zu sagen wäre auch unwahr gewesen.  - (klu)

Rassehund

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