Jetzt nun will ich dir auch die Avernischen Örter und Seen, Die
es da gibt in der Welt, nach ihrem Wesen erklären. Erstlich
den Namen >Avernisch< macht ihre Beschaffenheit deutlich; Denn
sie bringen Gefahr dem gesamten Geschlechte der Vögel. Wenn
sie sich nämlich beim Flug grad' über den Stellen befinden, Lassen
der Fittiche Segel sie sinken, vergessen des Ruderns Und kopfüber,
erschlafft, mit kraftlos hängendem Nacken Stürzen sie nieder
zur Erde, wenn grade die Stelle derart ist, Oder ins Wasser,
wenn unten vielleicht der Avernische See liegt. Solch ein Ort
ist bei Cumae. Dort gibt's mit vergiftendem Schwefel Reich gefülltes
Gestein, dem rauchende Quellen entspringen. Auch in den Mauern
Athens auf dem höchsten Gipfel der Burg Solch ein Ort bei dem
Tempel der hohen Minerva Tritonis. Dorthin lenken der Fittiche
Flug die heiseren Krähen Nie, selbst wenn der Altar mit duftenden
Opfern gefüllt ist. So sehr flieht dies Tier nicht etwa den
Groll der Minerva, Weil es zur Unzeit wachte, wie griechische
Dichter gesungen, Vielmehr reicht zur Erklärung allein die Bodennatur
aus. Auch m Syrien soll, wie man sagt, ein Ort sich befinden,
Wo vierfüßige Tiere beim ersten Schritt in die Höhle Gleich
durch der Dünste Gewalt aufschlagend stürzen zu Boden, Wie wenn
zum Opfer sie fielen den unterirdischen Göttern.
Aber es spielt dies alles sich ab auf natürliche Weise, Und
die Grundursachen, warum es geschieht, sind uns kenntlich. Drum
soll niemand vermeinen, m diesen Gegenden wäre Etwa die Pforte
zum Orcus, und unterirdische Götter Schleppten von hier an des
Acheron Strand die Seelen der Toten, Wie man erzählt von den
Hirschen, den Flügelfüßern, sie zögen Manchmal kriechend Getier
mit dem Hauche der Nüstern aus Höhlen. Doch wie weit sich der
Glaube vom Wege der Wahrheit entfernt hat,
Höre nun jetzt; denn ich will dir die Sache nun selber erklären.
Erstens behaupt' ich, was oft ich auch früher schon habe behauptet, Daß
in der Erde Atome von allerlei Arten sich finden. Viele sind
Nahrungsstoffe und lebenerhaltend, doch viele Bringen auch Krankheit
hervor und beschleunigen unsre Vernichtung. Einige sind nun diesen
und andere andren Geschöpfen Dienlich zur Lebensfristung, wie
wir dies früher schon zeigten, Wegen der Ungleichheit der Natur
und der ersten Gestaltung Jener Atome und ihrer Verknüpfung
untereinander. Vieles uns Widrige dringt in das Ohr, viel Feindliches
schleicht sich Just durch die Nase herein und wirkt rauh bei
der Berührung; Auch nicht weniges ist für den Tastsinn besser
zu meiden, Wie für die Augen zu fliehn, und abscheulich ist manches
zum Schmecken. Weiter noch kann man bemerken, wie vielerlei
oft auf den Menschen Widrigsten Eindruck macht, ihm Ekel erregt
und ihm schadet. So sagt einzelnen Bäumen man nach, ihr Schatten
sei schädlich, Also daß er nicht selten den Menschen, die
unten im Grase Hin sich strecken und lagern, erzeuge ein heftiges
Kopfweh. Auch auf dem hohen Gebirge des Helikon blühet ein Giftbaum,
Der durch den widrigen Blütengeruch dem Menschen den Tod bringt. All
das steigt deshalb aus dem Boden empor, weil die Erde Viele
Atome enthält von vielerlei Dingen, die vielfach Sind miteinander
vermischt, doch gesondert kommen zum Vorschein. Wenn schon der
üble Geruch der nächtlichen Lampe, die eben Aus ist gelöscht,
die Nase beleidigt, so bringt sie sofort den, Der an der Fallsucht
leidet und schäumt aus dem Munde, zum Schlafen. Schläfernd wirkt
auch der scharfe Geruch der Geilen des Bibers Auf ein Weib zu
der Zeit, wo die Monatsregel sich einstellt, Und aus der zierlichen
Hand entfällt ihr die prächtige Arbeit. Auch viel anderes gibt's,
was die Glieder erschlafft im Gelenke Und die menschliche Seele
im Innersten bringet zum Wanken. Endlich, verweilest du länger
mit vollem Magen im Schwitzraum, Nimmst auch ein Bad sodann
im Becken des hitzenden Wassers, Dann kann leicht es mitunter
geschehn, daß du mitten drin umsinkst. Gar leicht steigt auch
der Kohlendunst mit betäubender Wirkung Uns zum Hirn, wenn vorher
man nicht erst hat Wasser getrunken. Wen gar gliederbeherrschend
ein feuriges Fieber ergriffen, Den schlägt Weindunst nieder,
als träfe ein tödlicher Schlag ihn. Siehst du nicht auch, wie
im Erdreich selbst der Schwefel sich bildet Und sich mit eklem
Gerüche das Erdpech klumpet zusammen? Welch abscheulicher Dunst
entströmt Scaptensulas Boden, Wo man so gierig erschürft die
Adern des Goldes und Silbers Und das Verborgne der Erde durchwühlt
mit eisernem Werkzeug! Oder was dringt für giftige Luft aus den
Goldbergwerken, Wie entstellt sie des Menschen Gesicht, wie
bleicht sie die Farbe! Siehst du und hörst du nicht auch, in
wie kurzer Zeit sie zu sterben Pflegen und wie ihnen bald die
Lebenskräfte entschwinden, Wenn sie zu solcher Fronde des Lebens
gewaltige Not zwingt?
Alle derartigen Dampfe entwickelt also die Erde, Die sie
hinaus in das Weite verdampft und den offenen Himmel. So muß
auch der Avernische See Giftdämpfe entsenden, Welche die Vögel
ersticken. Sie steigen empor von der Erde In die Luft und vergiften
zum Teil die Räume des Himmels. Trägt nun der Fittich den Vogel
in solche Bezirke, so faßt ihn Unversehens der giftige Hauch
und verhindert sein Fliegen. So fällt stracks er hinunter, wohin
sich der Schwaden erstrecket. Stürzt er nun dort zusammen, so
nimmt der nämliche Dunst ihm Auch noch das Restchen vom Leben,
das blieb, aus sämtlichen Gliedern. Anfangs nämlich erregt ihm
der Gifthauch gleichsam nur Schwindel, Ist er jedoch erst hinab
in der Stickluft Quelle gefallen, Wird er gezwungen daselbst
auch das Leben selber zu lassen, Weil ihn rings ein gewaltiges
Meer von Unheil umbrandet. Auch kommt's vor, daß bisweilen die
Kraft des Avernischen Dunstes Alle Luft aus dem Räume vertreibt,
der sich zwischen dem Vogel Und der Erde befindet, so daß er
schon nahezu leer wird. Kommt nun ein Vogel gerade auf
diese Stelle geflogen, Dann erlahmt ihm sofort der Fittiche Schlag,
er wird fruchtlos; Beiderseits versagen die Flügel sich völlig
dem Dienste. Da sie nun hier sich nicht halten und sich auf die
Flügel nicht stützen Können, so zwingt sie natürlich die Schwere,
zur Erde zu fallen.
Und so liegen sie denn in dem nahezu völligen Leeren, Wo
sie die Seele verhauenen durch alle Kanäle des Körpers.
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