elauern   Wutschka war von Posen nach Berlin gedengelt, um daselbst in den Schanklokalen der Brunnen- und Invalidenstraße, angeblich als Damen-Imitator, sein Brot zu verdienen. Er war nun zwar homosexuell, aber dennoch weit entfernt davon, diese Fähigkeit in den Dienst seiner Einkünfte zu stellen; vielmehr lediglich darauf aus, sich einwandfrei zu vergewissem, ob in den zwei Jahren seiner Abwesenheit von Berlin die Aufmerksamkeit der Polizei in Bezug auf seine Person so weit nachgelassen hätte, daß an ein ungestörtes Arbeiten zu denken wäre.

Dieser Vergewisserung lag Wutschka gerade an der Ecke der Usedom- und Wiesenstraße ob, als Japoll, der ihn vorzeiten oft geankert hatte, vorbeischob und, da er in der neben dem Haustor lehnenden Gestalt den Spinat-Emil wiederzuerkennen glaubte, in einiger Entfernung beobachtend stehen blieb.

Wutschka, der seinen ehemaligen Komoschke nicht wiedererkannte, faßte ihn alsbald scharf ins Auge und hielt ihn nach drei Minuten für weidlich verdächtig: die Art, wie er mit dem Rücken gegen die Häuserfront hart am Straßenrand stand, schien ihm den Spitzel zu verraten. Wutschka pendelte sich langsam heran, bog von hinten her noch langsamer nach vorn und blickte im Vorbeigehen mit sozusagen frechem Freimut dem Unbekannten ins Gesicht: war es ein Spitzel, so würde er seinem Blick ausweichen und den Platz wechseln; war es keiner, so würde er neugierig werden oder herausfordernd.

Japoll wurde weder das eine noch das andere: er hatte beim Anblick von Wutschkas samtnem Auge sofort jeden Zweifel verloren. »Mensch, Spinat-Emil, wo kommste herjetürmt?« Dabei hieb er ihm beide Hände auf die Schultern. - Walter Serner, Lampenfieber. In: W.S.: Der Pfiff um die Ecke. Zweiundzwanzig Kriminalgeschichten. München 1982 (dtv 1741, zuerst 1925)

Belauern (2)  Methodisch vorgehen. Jeden befragen. Niemanden nennen. Sorgfältig Rechnungen klassieren, Briefe, Bestandsaufnahmen, Photographien. Das Haus ist stets zugänglich, trotz der Launen des Alten. Jeden Besuch aufschreiben mit der genauen Zeit. Sich nicht auf die Worte des Dieners verlassen. Die kleinsten Versprecher des Meisters festhalten, sein Innehalten beim Reden belauern, ihn in seiner Verschanzung umzingeln. Seine Antworten notieren, welche auch immer, ohne sich um Unwahrscheinlichkeiten zu kümmern. Man wird doch mit seinen Manövern noch fertig werden. Auf seine Erschöpfung rechnen. - Robert Pinget, Der Feind. Berlin  1988

Belauern (3, gegenseitiges)  

Paranoia, gesunde Lauern

 

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