elastbarkeit  Die Versuche, die ich mit dem pazifischen Riesenmolch (Andrias Scheuchzeri Tschudi) in meinem Hamburger Laboratorium durchgeführt habe, verfolgten ein bestimmtes Ziel: die Widerstandsfähigkeit der Molche in bezug auf Veränderung der Umwelt und andere äußere Eingriffe zu erproben und damit ihre praktische Verwendbarkeit in unterschiedlichen geographischen Gebieten und unter verschiedentlich variierten Bedingungen nachzuweisen.

VERSUCH I/A

Die erste Versuchsserie sollte der Feststellung dienen, wie lange ein Molch außer Wasser leben kann. Die Versuchstiere wurden in trockenen Bottichen bei einer Temperatur von 40 bis 50 °C untergebracht. Nach einigen Stunden trat sichtliche Ermüdung ein. Wurden sie jedoch mit Wasser besprengt, lebten sie wieder auf. Nach vierundzwanzig Stunden lagen sie regungslos und bewegten nur die Augenlider; Puls langsam, jede Körpertätigkeit auf ein Minimum beschränkt. Die Tiere leiden sichtlich, die geringste Körperbewegung kostet sie große Anstrengung. Nach drei Tagen tritt ein Zustand kataleptischer Starre ein (Xerose); die Tiere reagieren auf nichts, nicht einmal auf Brennen mit dem Elektrokauter. Wird die Feuchtigkeit der Atmosphäre erhöht, beginnen sie wenigstens einige Lebenszeichen von sich zu geben (sie schließen die Augen vor grellem Licht u. ä.). Wenn ein sieben Tage lang derart ausgetrockneter Molch ins Wasser geworfen wurde, lebte er nach Verlauf einer größeren Zeitspanne wieder auf; bei länger andauerndem Feuchtigkeitsentzug ging der größte Teil der Versuchstiere ein, direktem Sonnenlicht ausgesetzt, schon nach wenigen Stunden.

VERSUCH I/C

Andere Versuchstiere wurden gezwungen, in einem ungewöhnlich trockenen Raum im Dunklen eine Kurbelwelle zu drehen. Nach drei Stunden begann ihre Leistungsfähigkeit zu sinken, stieg jedoch wieder, sobald sie gründlich mit Wasser besprengt wurden. Bei häufig wiederholtem Besprengen hielten die Tiere das Drehen der Kurbelwelle siebzehn, zwanzig, ja in einem Fall sogar sechsundzwanzig Stunden ohne Unterbrechung aus, während ein Mensch, der zur Kontrolle die gleiche mechanische Arbeit verrichtete, schon nach fünf Stunden beträchtlich erschöpft war. Aus diesen Versuchen geht hervor, daß die Molche auch für Arbeiten an Land verwendbar sind, allerdings unter zwei Bedingungen: Sie dürfen nicht direktem Sonnenlicht ausgesetzt sein, und ihr ganzer Körper muß von Zeit zu Zeit mit Wasser besprengt werden.

VERSUCH II/B

Eine zweite Versuchsserie betraf die Widerstandsfähigkeit der Molche, die Tiere tropischen Ursprungs sind, gegen Kälte. Bei plötzlicher Abkühlung des Wassers gingen sie an Darmkatarrh zugrunde, aber bei allmählicher Akklimatisation an eine kühlere Umwelt stellte sich bald Gewöhnung ein. Schon nach acht Monaten bewahrten sie auch bei einer Temperatur von 7 °C ihren lebhaften Tätigkeitstrieb, sofern ihnen mehr Fett im Futter verabreicht wurde (täglich siebzehn bis zwanzig Dezigramm per Stück). Wurde die Temperatur des Wassers jedoch auf unter 5 °C reduziert, verfielen sie in Kältestarre (Gelose); in diesem Zustand konnten sie eingefroren und in einem Eisblock monatelang aufbewahrt werden. Sobald das Eis auftaute und die Wassertemperatur über 5 °C stieg, begannen sie wieder Lebenszeichen von sich zu geben, und bei 7 bis 10 °C fingen sie an, sich eifrig nach Futter umzutun. Daraus geht hervor, daß sich die Molche auch in unseren Breitengraden ziemlich leicht akklimatisieren, sogar im nördlichen Norwegen und in Island. Für die klimatischen Verhältnisse in den Polargebieten müssen weitere Versuche angestellt werden.

VERSUCH IV/N

Hingegen weisen die Molche eine außerordentliche Empfindlichkeit chemischen Einflüssen gegenüber auf. Bei Versuchen mit stark verdünnter Lauge, Fabriksabfällen. Gerbstoffen und so weiter fiel die Haut in Fetzen von ihnen ab, und die Versuchstiere gingen an einer Art Kiemenbrand zugrunde. Für unsere Flüsse sind die Molche demnach praktisch unverwendbar.

VERSUCH V/A

In einer weiteren Reihe von Versuchen gelang es uns festzustellen, wie lange Molche ohne Nahrung zu leben vermögen. Sie können drei Wochen und länger hungern, ohne daß andere Erscheinungen als eine gewisse Ermattung zu bemerken wären. Einen Versuchsmolch ließ ich sechs Monate hungern; die letzten drei Monate schlief er ununterbrochen und bewegte sich nicht einmal. Als ich ihm dann gehackte Leber in den Bottich warf, war er zu schwach, um darauf zu reagieren, und mußte künstlich ernährt werden. Nach einigen Tagen fraß er normal und konnte zu weiteren Versuchen verwendet werden.

VERSUCH VI/C

Die letzte Versuchsreihe befaßte sich mit der Regenerationsfähigkeit der Molche. Wenn man einem Molch den Schwanz abhackt, wächst er ihm innerhalb vierzehn Tagen nach. Bei einem Molch wiederholten wir diesen Versuch siebenmal mit dem gleichen Ergebnis. Ebenso wachsen ihm abgehackte Beine nach. Einem Versuchstier amputierten wir alle vier Gliedmaßen und den Schwanz; in dreißig Tagen war es wieder vollständig hergestellt. Wenn sich ein Molch einen Schenkel oder Schulterknochen bricht, fällt das ganze gebrochene Glied ab, und ein neues wächst nach. Ebenso wächst ein ausgestochenes Auge nach oder eine abgeschnittene Zunge. Interessant ist, daß ein Molch, dem ich die Zunge entfernt hatte, das Sprechen vergaß und es von neuem erlernen mußte. Wenn man einem Molch den Kopf amputiert oder seinen Körper zwischen Hals- und Beckenknochen durchschneidet, stirbt das Tier. Hingegen können ihm der Magen, ein Teil der Därme, ein Drittel der Leber und andere Organe entfernt werden, ohne daß seine Lebensfunktionen beeinträchtigt werden. Man kann also sagen, ein bei lebendigem Leibe fast ausgeweideter Molch ist noch immer lebensfähig. Kein anderes Tier besitzt eine solche Widerstandsfähigkeit gegenüber Verwundungen wie gerade der Molch. In dieser Hinsicht könnte er ein erstklassiges, nahezu unvernichtbares Kriegstier abgeben. Leider stehen dazu seine Friedfertigkeit und natürliche Wehrlosigkeit im Widerspruch.

SELB5TVERSUCH

Neben diesen Experimenten untersuchte mein Assistent, Dr. Walter Hinkel, den Wert der Molche in bezug auf nutzbare Rohstoffe. Er stellte vor allem fest. daß der Körper der Molche einen ungewöhnlich hohen Prozentsatz an Jod und Phosphor enthält. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich notfalls diese wichtigen Elemente industriell gewinnen ließen. Die Haut der Molche ist an und für sich unbrauchbar, doch kann sie zermahlen und unter hohem Druck gepreßt werden. Das so gewonnene Kunstleder ist leicht, ziemlich fest und könnte einen Ersatz für Rindleder bilden. Das Fett der Molche ist wegen seines widerlichen Geschmackes ungenießbar, eignet sich aber als technisches Schmiermittel, denn es gefriert erst bei sehr niedrigen Temperaturen. Ebenso wurde Molchfleisch stets für ungenießbar, ja giftig gehalten. Roh genossen, verursachte es heftige Schmerzen, Erbrechen und Halluzinationen. Dr. Hinkel stellte nach vielen Versuchen, die er an sich selbst vornahm, fest, daß sich diese schädlichen Wirkungen verlieren, wenn das kleingeschnittene Fleisch (ähnlich wie bei manchen Giftpilzen) mit heißem Wasser abgebrüht und nach gründlichem Waschen vierundzwanzig Stunden hindurch in eine schwache Hypermanganlösung gelegt wird. Hierauf kann man es kochen oder dünsten, und es schmeckt wie schlechtes Rindfleisch.

Wir haben, so zubereitet, einen Molch gegessen, dem wir den Namen Hans gegeben hatten. Es war ein gebildetes, kluges Tier, besonders begabt für wissenschaftliche Arbeiten; in Dr. Hinkels Abteilung war es als Laborant beschäftigt, und man konnte ihm selbst die heikelsten chemischen Analysen anvertrauen. Wir plauderten oft abendelang mit ihm und amüsierten uns über seine unersättliche Wißbegierde. Leider mußten wir unseren Hans schlachten, weil er nach einem meiner Trepanationsexperimente erblindete. Sein Fleisch war dunkel und schwammig, hinterließ aber keinerlei unangenehme Folgen. Sicher ist, daß im Falle von Kriegsbedarf Molchfleisch einen willkommenen und billigen Ersatz für Rindfleisch bieten könnte. - (mol)

Belastbarkeit (2)

  - N.N.

Belastbarkeit (3)

- "Pipifax" (Max Liebermann)

Brauchbarkeit Belastung Belastung
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