ekehrungseifer  Captain Kidd  war ein gebildeter Mensch und hegte keinen Groll gegen die Kirche, doch erwies er sich als sehr halsstarrig. Kaplan Lorrain besuchte ihn und die mit ihm Verurteilten täglich, manchmal sogar zweimal am Tag, mußte jedoch trotz seiner Bemühungen einsehen, daß Kidd sich nicht zu den Verbrechen bekennen wollte, deren er schuldig gesprochen worden war.

Am Tag der Hinrichtung ging der Geistliche mit Kidd zu weiteren Gebeten und Ermahnungen in die Gefängniskapelle, doch ließ »Captain Kidds verhärtetes Herz sich nicht erweichen«. Immerhin versprach Kidd, unter dem Galgen ein volles Geständnis abzulegen. Lorrain schritt dem Piraten zum Hochgericht voran und bestieg das Blutgerüst in der Hoffnung, endlich ein Geständnis des Sünders zu bekommen. Doch wieder wurde er enttäuscht. »Ich fand Kidd zu meinem unaussprechlichen Kummer vom Alkohol so erregt und verwirrt und in einem so jämmerlichen Zustand, daß er keineswegs zu dem großen Werk fähig war, das zu tun er jetzt ietztmalig Gelegenheit hatte.« Kidd hielt eine lange Ansprache an die Menge. Er wiederholte, daß er William Moore im Affekt mit einem Eimer geschlagen und keineswegs habe töten wollen. Außerdem bedauerte er zutiefst, sich nicht von seiner Frau und seinen Kindern verabschieden zu können, die in New York lebten. Wie die Nachricht seines unrühmlichen Todes auf seine Frau wirken würde, mache ihm mehr zu schaffen als sein eigenes Schicksal. Weiter ermahnte er alle Seeleute und besonders die Kapitäne, sein elendes Schicksal als abschreckendes Beispiel zu nehmen.

Als Kidd vom Gerüst gestoßen wurde, riß der Strick, und er fiel noch bei Bewußtsein zu Boden. Der unermüdliche Lorrain nutzte die Gelegenheit zu einem weiteren Versuch, ihn zu einem Geständnis zu bewegen. »Als er hinaufgebracht und erneut am Galgen festgebunden wurde, bat ich, noch einmal zu ihm gehen zu dürfen, was mir auch erlaubt wurde. Ich führte ihm die große Gnade Gottes vor Augen, die ihm diesen unerwarteten Aufschub gewährt habe, auf daß er sich im Glauben und in der Buße übe. Diesmal fand ich ihn in einer viel besseren Verfassung als zuvor.« Da nicht nur der Strick gerissen, sondern auch noch das Gerüst zusammengebrochen war, mußte Kidd das zweite Mal von einer Leiter gestoßen werden. Lorrain stieg hinter ihm die Leiter hinauf, um bis zuletzt mit seinen Gebeten und Ermahnungen fortzufahren. Als Kidd in den Tod stürzte, hatte der Geistliche endlich das Gefühl, sein Ziel erreicht zu haben, und er ging »in größerer Zuversicht als zuvor, daß Kidd bereut hatte«.  - David Cordingly, Unter schwarzer Flagge. Legende und Wirklichkeit des Piratenlebens. München 2001 (dtv 30817, zuerst 1995)