Beischlaf, letzter   Er ist vor lauter Laufen außer Atem und ruft der Königin zu: warte auf mich und gehorch deinem Gemahle, welchselbiger ich bin. Allein, die Königin entflieht immerzu von einem Zimmer zum anderen, wobei sie ihm die Türen vor der Nase zuschlägt. Allein, man siehet, daß auch sie nicht mehr kann, und so wirft sie sich am Ende oben auf eine Treppe, dieweil Mülemosche, aus Nase und Ohren schnaubend, auf halbem Wege stehenbleibt.

»Ich kann nicht mehr. Ich komme jetzt ganz langsam zu dir hinauf, doch du bleibest, wo du bist und rührest dich nicht.«

»Was willst du?«

»Ich will dich mit einem Finger berühren, sonst nichts.«

»Nur mein Gemahl darf mich berühren.«

»Dein Gemahl bin jetzt ich.«

Millemosche gibt sich alle Mühe, sie daran zu erinnern, daß sie seit vielen Jahren zusammen geschlafen hätten, und daß er sich sehr wohl daran erinnere, wie sie das erste Mal miteinander ins Bett gegangen seien und er sie hinter dem Ohr gestreichelt habe. Und an die Nacht, als er einen Floh gefangen und ihn aus Liebe zu ihr getötet habe. Und an die andere Nacht, als er sich einen Zeh verstaucht habe beim Versuch, eine Fledermaus zu fangen, die ins Schlafgemach eingedrungen sei. Kurz: er versucht, sie mit Erinnerungen zu rühren, doch sie glaubet nur wenig daran, genauer gesagt, sie glaubt ihm kein Wort nicht. Da nun, um sie zu überzeugen, spricht Millemosche von dem Schönheitsfleck oberhalb ihrer linken Titte. Und sie behauptet, sie habe gar keinen Schönheitsfleck oberhalb ihrer linken Titte, allein, als sie in ihren Ausschnitt blickt, entdeckt sie, daß sie ihn wirklich hat. Daraufhin läuft sie wieder fort und bleibt in einem Zimmer ohne zweiten Ausgang stehen. Hier läßt sie sich zu Boden sinken und harret Millemosches, der auch wirk­lich nach einer Weile in der Türe erscheint. Das einzige, worum sie bittet, ist, er möge sie mit Gewalt nehmen, weil sie nicht durch Vorsatz sündigen wolle, jetzt, wo die Welt zu Ende gehe. Auf jeden Fall aber müsse er diesen beiden sagen, daß sie den Mönch nicht aufknüpfen dürften, weil dieser nachher noch als ihr Beichtvater gebraucht werde. Als er höret mit Gewalt, beginnt Millemosche zu lachen. Er hat ja nicht einmal mehr genug Atem, um eine Kerze auszublasen und seine Hände sind wie weicher Käse. Die Gewalt. Seinen Fingern gelingt es nicht einmal, den ersten Knopf des langen Gewandes der Königin aufzuknöpfen. Und so macht sie sich nun damit zu schaffen, weil sie es einfach nicht hinnehmen will, ganz umsonst soviel gerannt zu sein.

»Ich helfe dir.«

»Wie viele Knöpfe sinds?«

»Dreihundertsechzig.«

»Dann geb ich auf.«

»Nein, jetzt gibst du nicht auf.«

»Ich bin am Ende.«

»Nein, du bist nicht am Ende.«

»Und doch bin ichs.«

»Du hast gesagt, du seiest mein Gemahl, dann benimm dich auch wie ein Gemahl.«

Die Königin knöpft ihre dreihundertsechzig Knöpfe auf und darnach auch die von Millemosche.  - Luigi Malerba, Tonino Guerra: Von dreien, die auszogen, sich den Bauch zu füllen. Roman aus dem Jahre 1000. Berlin 1996

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