ehörde Was
die Behörden anlangte, die dort im Neuen Indien saßen und die man ausgesucht
und instruiert hatte, so ließen sie auch an Zauberhaftigkeit nichts zu wünschen
übrig. Manche benahmen sich wie Verrückte, manche scheffelten Gold vor aller
Augen, als wenn sie glaubten, die Welt sei blind, und man mußte sie fangen,
ihnen das Gold abnehmen und sie ins Gefängnis stecken. In einer Ecke dieses
Riesenreichs hatte ein Mann, ein einfacher Mann ohne Amt, dem König von Spanien
selber den Krieg erklärt. Ich der König kletterte eines Tages, verdrossen wie
immer, mit lahmem Kreuz in seine Schreibstube, legte sich das Leder auf seinen
Stuhl und setzte sich. Da hatte der Geheimsekretär die indische Post schon geordnet
und las dem knurrigen Herrn ein Schreiben vom Maranonfluß im Urwald vor: man
habe ihn da als König abgesetzt! Der Fähnrich Fernando de Guzman hat das getan
und sich selbst zum König aufgeworfen. Ich der König verzweifelt an diesem Tag
an der Welt, er verläßt die Kanzlei und beschäftigt sich bloß noch mit seinen
Hunden. Man liest ihm später vor, daß die verrückte Horde dieses Fähnrichs Guzman
nach Norden bis zum Orinoco vorgedrungen sei und überall die königlichen Amtswalter
erschlagen habe, die sorgfältig in Madrid ausgesucht und instruiert waren. Zuletzt
führte diese Bande, so erfuhr man, ein krummer Biskayer, Lope de Aguirre, sie
mordeten und schändeten unter den wehrlosen Indianern. Und der katholische König
in Buen Retiro weiß nicht, was er davon denken soll, wohin das führen soll,
was das ist, als er eines Tages den Text eines Briefes auf das Pult gelegt bekommt,
den der Aguirre, das bucklige Nichts, dieser Mörder, aus einer Stadt
namens Burburata selber an ihn richtet: «Ich, Lope de Aguirre, Dein Vasall,
ein Christ, von armen, aber edlen Eltern geboren, Ich und die Meinen enden das
grausame Unrecht, das Dein Vizekönig, Deine Gouverneure und Richter in Deinem
Namen übten.» Und der Mensch schreibt, daß er lahm und krumm von zwei Arkebusenschüssen
sei, die er im Kampf für den König erhalten habe, und flucht: «Seit dieser Stunde
schert mich Deine ganze königliche Gnade und Pardon nicht mehr als die Bücher
des Erzketzers Martin Luther.» Der König staunt
schon nicht mehr, er hätte Lust zu erfahren, was sein devoter Sekretär, der
alles neben ihm liest und hört, eigentlich darüber denkt, über diese Verrücktheit,
dieses Chaos, das einem wie Sand immer wieder unter den Fingern zerläuft, aber
das Maul ist ihm zugefroren, es geht nicht. Schließlich gibt es doch ein Ende,
wenigstens mit dieser Affäre. Man stellt die Horde. Der tolle Biskayer kann
nicht mehr lebend gefaßt werden, um auf das Rad zu steigen. Der tyrannische
Krüppel erwürgt, wie alles verloren ist, noch seine eigene junge Tochter, und
da haben auch seine Spießgesellen genug von ihm, sie hoffen sich ein Verdienst
zu erwerben und stoßen ihn nieder. Alle Verbrecher müssen danach über den Degen
springen. Den Kopf von Aguirre hängt die Truppe in einen eisernen Käfig und
führt ihn durch die Orte seiner Schandtaten. -
Alfred Döblin, Amazonas. Romantrilogie. München 1991 (entst. 1935-37)
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