ehaglichkeit
Ich gestehe, daß ich auf Reisen
selten in einer Herberge anlange, ohne daß es mir durch den Kopf geht,
ob ich darin behaglich krank werden und sterben
könnte. Ich will an einem Orte untergebracht sein, wo ich ganz für mich
bin, ohne Lärm, ohne Schmutz, ohne Rauch, ohne
Stickluft. Ich versuche dem Tod mit diesen nichtigen
Äußerlichkeiten zu schmeicheln, oder vielmehr mich aller andern Beschwernisse
zu entledigen, um mich ganz nur auf ihn sammeln zu können, der nur auch
ohne andere Last genug zu schaffen machen wird. Ich will, daß er sein Teil
an der Leichtigkeit und Annehmlichkeit meines Lebens habe. Er ist ein großes
und wichtiges Stück davon, und ich hoffe nur, daß er dereinst nicht mein
bisheriges verleugnen wird.
Es gibt Arten des Todes, die behaglicher
sind als andere, und er trägt nach dem Sinn eines jeden verschiedene Züge.
Unter den natürlichen dünkt mich jene, die aus Entkräftung und Erschlaffung
eintritt, sanft und lind. Unter den gewaltsamen ist es mir unheimlicher,
mir den Sturz in einen Abgrund
zu denken, als vom Einsturz einer Mauer erschlagen zu werden, und mir den
scharfen Streich einer Klinge vorzustellen als einen Büchsenschuß; und
ich hätte williger den Schierling des Sokrates
getrunken, als mich wie Cato ins Schwert gestürzt. Und wiewohl es
einerlei ist, empfindet meine Vorstellung doch einen Unterschied wie zwischen
Tod und Leben darin, ob ich mich in einen glühenden Ofen oder in den Lauf
eines flachen Stromes werfe. So töricht sieht unsere
Furcht mehr auf das Wie als auf das Was. Es ist nur ein Augenblick;
aber er ist von solchem Gewicht, daß ich gern viele Tage meines Lebens
dafür hingäbe, ihn auf meine Weise zu bestehen. - (
mon
)
Behaglichkeit (2) Anfangs schien ihm Form und
Schmuck ungewohnt; ich mußte erst mit den Fingern den Eingang öffnen, ehe er
sich so eifrig zeigte, wie ich ihn gestern abend bei seiner Herrin gesehen.
Dann aber hatte ich alle Ursache, mich der neuen Entdeckung zu freuen. Ich habe
alle Arten des heimlichen Vergnügens kennengelernt, aber ich leugne nicht, daß
dies Lecken eines Hundes, wenn es nicht ungestüm wird,
eigentlich die behaglichste, aber allerdings auch unvollständigste ist. Behaglich,
weil man selbst ganz untätig dabei ist, sich ganz seiner Phantasie überlassen
kann, als bei irgendeiner anderen Art möglich. Unvollständig, weil nie eine
Befriedigung eintreten kann. Die Zunge eines Tieres
wird nicht schneller, nicht nachdrücklicher, nicht belebter, sie bleibt gleichmäßig
angenehm, warm und feucht. Ich war neugierig, wie lange ich diesen sanften Reiz
ertragen würde, und siehe da, ich konnte es über eine Viertelstunde. -
Aus den Memoiren einer Sängerin. München 1970 (zuerst 1861)