Behälter  Diejenigen, welche unser Geschlecht bildeten, wußten, welche Unmäßigkeit im Essen und Trinken in uns sein werde, und daß wir aus Gier viel mehr zu uns nehmen würden, als es maßvoll und notwendig wäre. Damit nun nicht durch Krankheiten ein schnelles Dahinsterben eintrete und das sterbliche Geschlecht alsbald vor seiner Vollendung untergehe, und weil sie dies voraussahen, richteten sie die sogenannte untere Leibeshöhle als Behälter zur Aufnahme der Speisen und Getränke, die überflüssig sein würden, ein und ließen die Därme innen rundherum in Windungen entstehen, damit die Nahrung nicht schnell durchlaufe und den Körper zwinge, schnell andere Nahrung zu verlangen, und so Unersättlichkeit erzeuge und auf Grund seiner Gefräßigkeit das ganze Geschlecht unphilosophisch und unkultiviert mache und ungehorsam gegenüber dem Göttlichsten, was wir besitzen.   - Platon, nach (lte)

Behälter (2) Kurz gesagt, das Geheimnis, als Inhalt definiert, der seine Form zugunsten eines einfachen Behälters verborgen hat, ist untrennbar mit zwei Bewegungen verbunden, die seinen Umlauf zufällig unterbrechen oder es verraten können, aber ein wesentlicher Teil des Geheimnisses sind: etwas muß aus der Schachtel heraussickern, etwas wird durch die Schachtel hindurch oder in der halbgeöffneten Schachtel wahrgenommen. Das Geheimnis wurde von der Gesellschaft erfunden, es ist ein sozialer oder soziologischer Begriff. Jedes Geheimnis ist ein kollektives Gefüge. Das Geheimnis ist durchaus kein statischer oder bewegungsunfähiger Begriff, nur die Arten des Werdens sind geheim, das Geheimnis hat ein Werden. Der Ursprung des Geheimnisses liegt in der Kriegsmaschine, in ihren Arten des Frau-, Kind- und Tier-Werdens.  - Deleuze, Guattari: 1000 Plateaus. Berlin 1992 (zuerst 1980)

Behälter (3)  Die Honig-, Glocken-, Schlauch-, Flaschen-, Behälterameisen tragen in der offiziellen Entomologie den zwar ungewöhnlichen, aber desto unplastischeren und schwerer einprägsamen Namen Myrmecocystus Melliger.

Wie die Pilzameisen bevorzugen sie die warmen Gegenden, obgleich die Natur in anderen Breiten Vor- oder Nachbildungen von ihnen geschaffen hat. So namentlich in dürren Landstrichen, wo sie den weinlesenden Insekten, die einen Vorrat an flüssigen Lebensmitteln haben wollen, unentbehrlich sind. Denn diese haben es noch nicht gelernt, Tonnen, Krüge oder Flaschen zu formen.

Mc. Cook hat sie im Hortus Deorum, dem Garten der Götter Kolorados, erforscht. Sie ernähren sich ausschließlich von Honigtropfen, die von den Galläpfeln einer bestimmten Eiche, der Quercus Undulata, ausgeschwitzt werden; damit pumpen sie sich so voll, daß sich der Umfang ihres Hinterleibs verdrei- und vervierfacht. Wem es gelingt, ihn zu verfünf- oder gar zu versechsfachen, rückt er zum Rang eines Behälters auf; die betreffenden Tiere werden im Nest weiter voll gefüllt, bis sie das achtfache ihres normalen Gewichts erreicht haben; dann krallen sie sich mit ihren Vorderbeinen an der Decke einer der in den roten Sandstein geschnittenen zehn oder zwanzig Honigkammern fest und bleiben dort bis an ihr Ende hängen, ja sogar darüber hinaus, denn oft lösen sich ihre Krallen erst zwei, drei Tage nach ihrem Ableben. Man erkennt zwar die Nachteile des so beschwerlichen, aber ehrenvollen Zustandes, doch fragt man sich, welche Vorteile er bieten mag. Liegen sie in der Wollust des Auswürgens, in einer unwahrscheinlichen Stupidität, in der Befriedigung einer unbegrenzten Eitelkeit oder in den Freuden schrankenloser Hingabe? Was in unserer Welt unglaubhaft schiene, braucht es darum in der Welt der Ameisen nicht zu sein.

Das Insekt erreicht gewöhnlich eine Größe von fünf, auch sechs Millimetern. Ist es zum Bersten aufgeschwollen, wird es ganz durchsichtig und bekommt den Umfang einer Weinbeere, die einen, wie man behauptet, köstlichen und von den Einwohnern des Landes sehr geschätzten Honig enthält.

Das von Mc. Cook untersuchte Ameisennest mit seinen übereinanderliegenden Laufgängen, Speichern und Galerien war etwa drei Meter lang, einen Meter hoch und fünfzig Zentimeter breit, die Tiere hatten es völlig in roten, meist recht brüchigen Sandstein gegraben, der aber wesentlich härter war als Pflanzenerde. Es umfaßte zehn Honigkammern. Jede barg einige dreißig lebende Schläuche.

Löst sich durch Zufall einer dieser Ballons von der Decke und plumpst zu Boden, so stürzen sich, wenn er dabei geplatzt ist, die mageren Ameisen auf die zuckerige Beute. Bleibt er heil, so kann er sich weder aufrichten noch auf seinen Posten an der Decke des Vorratskellers zurückgelangen. Trotz der Honiglockung rührt ihn niemand an, es hilft ihm aber auch keiner. Verzweifelt zappelt er mit den Beinen in der Luft herum und stirbt schließlich, manchmal erst nach Monaten, an Ort und Stelle. Dann trennen die Mageren den Brustkorb vom Hinterleib ab und rollen ihn, ohne ihn durch die Berührung mit einem Kiefer zu entweihen, aus der Stadt bis hin an den Ort, der als Totengarten dient. Dort lassen sie ihn liegen. - (maet)

 

Alltagsdinge

 

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Gefäß