Begräbnisgespräche  Der Reisende hörte den Gesprächen der anderen zu. Nachbarn sprachen über die Verstorbenen, wie man auf allen Beerdigungen der Welt über Tote redet.

»Sie war eine halbe Hexe«, sagte jemand.

»Aber nein! Ihre Macht kam von Gott.«

»Eine Frau hat mir mal erzählt, daß sie ihr eines Tages einen Wolf in einer Flasche gezeigt habe«, sagte eine andere Frau.

»Sie hat nur wenig von ihrem Geld gehabt.«

»Das ist dann nicht wie bei dir, Küfer...«

»Aber sie war ja steinreich...«

Und noch viel mehr Bemerkungen dieser Art, in denen sich die Halbwahrheiten, die fehlende Milde und der gute Glaube mischten.   - Thomas Owen, Von Staub bist du .... In: Das unsichtbare Auge. Eine Sammlung von Phantomen und anderen unheimlichen Erscheinungen. Hg. Kalju Kirde. Frankfurt am Main 1979 (st 477, zuerst 1862)

Begräbnisgespräche (2)   Ein Begräbnis wie jedes andere, wie meines, Ihres, was konnte dabei herauskommen, kleine billige Gebetdien, gängige Formeln als ob die erhabene Feier oder das Entsetzen das sie uns einflößte ... kurzum das Nichts, nichts mehr, niemand mehr, die Nacht war hereingebrochen, der Zauber verschwunden, die Dingsbumse wie heißen sie nur.
Oder daß Mortin an seinem Fenster am Tag des Begräbnisses den Trauerzug hätte vorbeikommen sehen und in dem Gewühl den kleinen Jean-Claude entdeckt hätte.
Oder daß die arme Loiseleur das ist schon so lange her, die Lehrerin erinnern Sie sich, niemals in diese Geschichte verwickelt gewesen wäre, er mußte das verwechselt haben, ich meine Leventail, und zwar mit der Affäre Marin Mar-chin Sie wissen schon was ich meine die uns so aufgeregt hatte, die Artikel von dem wer war das damals wissen Sie das noch, die Ermordung dieser Verrückten wie hieß sie nur durch einen gewissen Descreux der war das doch, man kann wohl sagen daß sich das hingeschleppt hat.
Oder daß nach Aussagen anderer was weiß man denn...
Diese vier unter der Platane erstarrten Gesichter, der Luftzug den Fräulein wie hieß sie nur immer so gefürchtet hatte löschte die Kerzen und wehte bis in den Wipfel des jahrhundertealten Baumes die Totengebete und anderes Gebrabbel.
Nach dem Schlußgebet hätte man der zwischen dem heiligen Antonius und dem Taufbecken eingeklemmten Familie die Hand gedrückt, dem Vater, der Mutter, der Tochter, dem ganzen Drum und Dran.
Oder sich einen ansaufen.
An sein Fenster gelehnt der Ärmste in seinem Alter was sonst konnte ihn fesseln.
Ein Begräbnis nicht mehr und nicht weniger.
Libera me Domine und das Weitere als ob der Batzen Mist den man uns ins Gesicht schmeißen wird.
Libera me Domine als ob die lächerliche Verkehrsstauung.
De merda aeterna entschuldigen Sie den schlechten Witz.
Eine kleine billige Schweinerei um uns von unseren Emotionen zu erholen, Sie müssen mich verstehen entweder das eine oder das andere.
Der Klatsch dieser Damen, dabei kann man ein Weilchen verbringen.
Oder daß der Schatten bei Anbruch der Nacht.
Oder daß dieses arme Kind wie hieß es nur.
Diese kleinen Gesichtchen daß es einem kalt den Rücken runterläuft.
Kurzum ein Fiasko oder so was Ähnliches.
Nichts mehr seit so vielen Jahren, ein Unbehagen wie soll ich sagen, Durst vielleicht, aber all das ist lange her.
Ihn noch an diesem Julimorgen auf seiner Türschwelle stehen sehen.
Als ob die Tragödie wiedergekäut, verdaut und so weiter.
Keine Rede mehr davon sich wieder zu fangen, keine ; Rede mehr davon zu Ende zu kommen.
Das Fiasko ad vitam, zusammengestoppelter Zauber, und das ist gut so. So wie sie woanders lauerte.
Dinge wie nennt man das, aufgeschnappt, belauscht, sosehr man auch rennt sie entfliehen weit über die Wipfel.
Das ganze alte Geschwätz, lächerliche Täuschungen und anderes Gerumpel in unseren rumpelnden Köpfen.
Zusammengestoppelter Zauber.
Keine Rede mehr davon zu Ende zu kommen.
Durst, aber um ihn zu löschen müßte ich ewig rennen.
Durst, ja, meiner Meinung nach.   - Robert Pinget, Befreie uns. Berlin 1998 (zuerst 1968)
 
 

Begräbnis

 

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